Das Erstaunliche mit Carl Perkins ist, daß er nur einen Hit hatte, und zwar einen Tophit und das war 1956. Statistisch war er damit auf einer Ebene mit Gogi Grant, Patience & Prudence und den Kalin Twins. Die große Trauer über seinen Tod und die darauf fol-genden Nachrufe lassen aber vermuten, daß er einer der größten Hitmacher war. Wie kommt es zu diesem Widerspruch?
Er war ein Ehrenmann. Als die Beatles ihn 1964 trafen, waren sie erstaunt eines ihrer Idole zu treffen, das nicht arrogant war. Diesen Eindruck vermittelte er auch vielen anderen, die er traf. Er war von einer entwaffnenden Bescheidenheit. Ihm traten die Tränen in die Augen, wenn ihm jemand sagte, wieviel seine Musik für ihn bedeutete. Die von uns, die in den späten 50er und frühen 60er Jahren mit einer Vorliebe für gitarren-orientierten Rock 'n' Roll aufwuchsen, hatten viele Gründe Carl dankbar zu sein. Sein 'Dance Album' war eine der wenigen LPs, die in England erhältlich waren, um das Feuer des Rock 'n' Roll zu schüren. Die Beatles waren auch nicht die einzige Gruppe die jede Note seiner Lieder nachspielen konnte. Sie waren aber in der Lage, ihm sowohl ihre künstlerische als auch finanzielle Referenz zu erweisen, indem sie drei Lieder der LP aufnahmen, Honey Don't, Matchbox und Everybody's Trying To Be My Baby.
Perkins' wichtigste Phase kam natürlich mit Blue Suede Shoes, daß er 1955 für Sun aufnahm, und mit dem er im folgenden Jahr viele Hitparaden anführte. Für viele war dieser Titel die Einführung zu den Honky Tonk Grundlagen des Rock 'n' Roll. Einige 'Gelehrte' versuchten uns weiszumachen, daß Rock 'n' Roll eine Teenagerform des R&B war, aber Carl bewies das Gegenteil. Blue Suede Shoes kam direkt aus den Mittel-Tennessee Bars: 'You can bum my house, steal my car , Drink my liquor from an old fruit jar..."Ein Teenager Thema? Ich glaube nicht. Im Gegensatz zu Chuck Berry konnte Carl Perkins sich nicht vorstellen, ein pickliger Jüngling aus den urbanen Vorstädten zu sein.
Er war in Armut aufgewachsen und dann, als er alt genug war, spielte er in den, dreckigen Bierhallen für die weiße Unterschicht. Seine Musik war am Besten, wenn sie sich auf diese Wurzeln bezog. Hören Sie die Alternativversionen von Everybody's Trying To Be My Baby (auf Bear Family's 'Classic' box), `They're sqallin', runnin' down the halt , 1 guess ol' daddy's got a lot an the ball. Perkins war aus dreifacher Sicht wichtig, er schrieb die Lieder, sang sie und er spielte auch die Solo-Gitarre. Das war im Blues nichts besonderes, selten war es in der Country Music und erst recht in der frühen Zeit des Rock 'n' Roll. Sein Gitarrenspiel war genauso einflussreich wie sein Gesang und seine Kompositionen.
Als er bei Sun ankam, spielte er Country vermischt mit Blueselementen und einer vom Whiskey-Konsum angestachelten Agression. Das nennt man heute Rock 'n' Roll. Er war einer der Pioniere. Dann sollte man zwei der besten Rockabilly-Stücke aller Zeiten nicht vergessen, Dixie Fried und That's Right. Hier ist ein Vers von Dixie Fried: 'Dan got happy and he started ravin' - He jerked out a razor, but he wasn't shavin' All the cats knew to jump and hop - ' Cause he was borned and raised in a butcher's shop. Ein Vers voller Agression und Gewalt. Perry Como's Hof Diggity war Nr. 1 in der Woche in der Perkins das Lied aufnahm, und Perkins glaubte, daß Dixie Fried unter die ersten 10 kommen könnte. Man kann hören, daß er während der Aufnahme von That's Right nicht ganz nüchtern war. Ein böswilliges Lied voll von wenig verhüllten Drohungen: 'If what they say is true und there is another joker - Well use a number five in this game of poker - When I find the cat that's been gettin' my sugar - It's gonna be rough when I catch that booger'.
Als das Lied in England veröffentlich wurde, schnitt Decca Records gedankenlos den kompletten Vers, ohne zu ahnen oder sich Gedanken darüber zu machen, daß hier klassischer Rockabilly ruiniert wurde. Alle erwähnten Lieder nahm er auf, bevor er Sun im Jahre 1958 verließ. Sein Versuch, ein Teen-Poet zu werden, schlug fehl. Daraufhin kehrte er zu seine Wurzeln zurück, schrieb Lieder für Johnny Cash und Patsy Cline und konnte sich gerade so über Wasser halten. Nach dem Tod seines Bruders und musikalischen Partners Jay trank Carl viel und zog in Erwägung, das Handtuch zu schmeißen. Als er aber 1964 zum ersten Mal nach Europa kam, (zu Haus spielte er vor 50 bis 100 Leuten), wurde er im Odeon in Hammersmith stürmisch begrüßt. Einige Fans rollten eine Fahne mit der Aufschrift "Welcome Carl Perkins, King of Rock 'n' Roll" auf. Er konnte nicht ahnen, daß sich jemand in England für ihn interessierte. 'Meine Augen waren tränen-gefüllt, als ich die Liebe und Verehrung der Leute spürte', schrieb Perkins später. 'Ich spielte mit einer Vitalität, die ich vorher nicht gekannt hatte. Die Ovationen waren zuviel für mich. Ich spürte zum ersten Mal seit Jays Tod, daß für mich ein Platz in der Musik ist.' Nach der Show gab er aus -dem Stegreif draußen ein kurzes Konzert. Wer würde sonst so etwas tun?
Trotz einiger Versuche schaffte er es nicht, seine Karriere auch in den USA wieder anzuschieben. Er schrieb neue Lieder, aber sein Kühlschrank wurde von den Tantiemen der Lieder Blue Suede Shoes, Honey Don't und Matchbox gefüllt. 1985 stellte Dave Edmunds ein Tribute-Konzert' auf die Beine, bei dem unter anderen auch Geoge Harrison und Eric Clapton auftraten. Perkins sagte später, 'Wenn du in deinen späten Jahren diese Jungen mit ihren fliegenden Fingern daherkommen siehst, denkst du dir, daß deine Zeit gekommen ist. Dann kommt jemand wie Eric Clapton und sagt dir, wie stolz er ist dich zu treffen. Wir alle fahren gern neue Autos, tragen neue Kleider - aber du kannst dir nicht vorstellen was es für einen älteren Typen wie mich bedeutet, wenn sie sowas sagen. Ich glaube, daß ich in dieser Welt etwas hinterlasse, daß den Menschen gefällt. Wenn das so ist, ist es nicht so schwer von dieser Welt zu gehen, weil ein Teil von dir immer weiter lebt.'
Die Musik wird bestehen bleiben, aber es ist auch die Person Perkins selbst, die es verdient in Erinnerung zu bleiben. Er konnte so wenig zu seinen Fans abweisend oder gar ungehalten sein, wie Mary Poppins hätte Babies schlagen können. Die 40 Jahre, die er im professionel-len Musikgeschäft war, hätten ihn verbittern können. Seine Memoiren, die 1996 veröffentlicht wurden, hätten verbittert sein können, aber er ignorierte den Schmutz der Musikbranche und wurde so ein wahrer Gentleman.
Colin Escott (mit freundlicher Genehmigung von Bear Family Records)