— Außerhalb des frankophonen Kulturraums galt er als „der berühm-teste Rock'n'Roll-Sänger, von dem die Welt nie etwas gehört hat". Der Feingeist Jean Cocteau nannte ihn den bedeutendsten abstrakten Sänger des 20. Jahrhunderts und stellte ihn damit auf eine Stufe mit dem Maler-Genie Pablo Picasso. Mickgagger würdigte ihn als lästigen Konkurrenten: „Gegen Johnny haben die Stones in Frankreich keine Chance': Der „French Elvis" verursachte in den frühen 1960ern siebenstelli-ge Plattenumsätze und Massenschlägereien mit Rekordbeteiligung – nach einem Hallyday-Konzert in Paris zählte die Polizei 150 000 Randalierer.
1998 sang er an fiinf Tagen hintereinander im größten Stadion des Landes vor knapp einer halben Million Zuschauern. Zwei Jahre später kamen 600 000 zu einem Konzert unter dem Eiffelturm. Im Dezember 2017, kurz nach Hallydays Tod, fuhren zu seinem Ge-denken rund 700 Harley-Davidsons über die Champs-Elysies. Außer-dem trauerten der Staatspräsident und mehr als eine Million weitere Fans um den Sänger, Gitarristen, Songwriter und Hüftenwackler. Solche Zahlen übertönten in allen Nachrufen das eigentliche künst-lerische Erbe des erfolgreichsten Schluckauf-Virtuosen, der auf dieser Seite des Ärmelkanals den angelsächsischen Rockern und Rollern getrotzt hatte. Mit dem Vmyl-Doppelalbum Shake The Hand Of APool rehabilitiert das deutsche Wiederveröffentlichungs-Label Bear Family
Records den Franzosen.
1962 hatte der zornig und jung klingende Johnny Hallyday in Nashville, Tennessee, diese zwei LPs für das Phi-lips-Label eingespielt. Begleitet von einigen der besten Studiomusiker, die damals in der Musikindustrie-Metropole verfügbar waren, coverte er Standardwerke des Roden'Roll. Beim „Tutti Frutti" konnte er weder Elvis und erst recht nicht Little Richard das Wasser reichen. „Be Bop A Lula" wurde ebenfalls von anderen Sängern überzeugender rausgeschnauzt. Und mit „Maybelline" hat er die wohl misslungenste Coverversion eines Chuck-Berry-Songs hinterlassen. Doch allein schon für diesen Hauch von bluesiger Tristesse, mit der Johnny Hallyday Fats Dominos „Blueberry Hilr schluchzt, hatte sich der Flug nach Nashville und wieder zurück gelohnt Und der in den frühen 1960ern als Übervater des Rhythm'n'Blues verehrte Ray Charles hat von seinem „I Got A Woman" auch nur wenige Coverver-sionen gehört, die aufgewühlter klangen als jene des „Frendi Elvis". Kein einziger Song auf dieser Doppel-LP kann heute noch die Mas-sen zum Landfriedensbruch animieren. Die liebevoll remasterten 26 Tracks zeigen allerdings auch heutigen HiFi-Genießern, wie sou-verän Johnny Hallyday auf dem angestammten Terrain seiner Idole gearbeitet hatte. ■
Winfried Dulisch