Seinem Image als Teen-Idol ist es geschuldet, dass er — ähnlich wie Leidensgenosse Bobby Darin — bis heute oft in einem Atemzug mit Nutzlosigkeiten wie Bobby Vee oder Fabian genannt wird. Dabei war Ricky Nelson (später nur noch Rick Nelson) alles andere als eine von diesen durchschaubaren Schmonzetten-gestalten, die erst Mädchenträume in Schwung brachten und dann in Windeseile im Nichts verglühten.
Ganz im Gegenteil: Nelson tanzte auf diversen Hochzeiten gleichzeitig, war schon allein durch sein Mitwirken an der Radio- und TV-Show seiner Eltern (,‚The Adventures Of Ozzie & Har-riet") ein Star in seiner amerikanischen Heimat, spielte zudem in Kinofilmen an der Seite von John Wayne, Dean Martin und Jack Lemmon (,‚Rio Bravo", „The Wackiest Ship In The Army") und ließ sich — sehr zum Unmut mehrerer Plattenfirmen — auch als Sänger nicht auf einen Stil reduzieren. Seine größte Stärke waren zweifelsohne die großen Balladen, mit denen er Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre Rock'n'Roll und Pop in Einklang brachte ( „Poor Little Fool", „I'm Not Afraid", „Travelin' Man", „Young World"), aber auch schmissigere Nummern wie „Stood Up", „Believe What You Say" oder „Hello Mary Lou", mit denen Nelson zu Beginn seiner Karriere regelmäßig in den Charts landete, standen dem 1940 in New Jersey geborenen Mann mit dem unwiderstehlichen Schmelz in der Stimme bestens zu Gesicht.
Sogar seine Ausflüge ins klassische Swing-Terrain gelangen vorzüglich und verdeutlichten, mit welch einer Selbstverständlichkeit Nelson und seine stets exzellenten Mitmusiker (allen voran der spätere Elvis-Gitarrist James Burton) unterschiedliche Genres unter einen Hut brachten. Er war einer der größten Crooner des zwanzigsten Jahrhunderts, einer von diesen charismatischen Typen, die selbst der belanglosesten Schnulze noch etwas Packendes einzuverleiben vermochten. Alles, was bei einem Pat Boone langweilig und schlichtweg ekelhaft anmutete, wirkte bei Ricky Nelson spannend und cool. Kein Wunder, dass beispielsweise ein Quentin Tarantino Nelsons 1958er Top-10-Hit „Lonesome Town" in „Pulp Fiction" zum Einsatz brachte. Oder dass Coolness-Könige wie Johnny Cash und Jerry Lee Lewis große Fans von Nelsons Aufnahmen waren/sind — was freilich auf Gegenseitigkeit beruhte (Nelsons ganz großes Idol allerdings war Fats Domino).
Und auch die Sounds von heutigen Acts wie Chris Isaak oder Johnny Favourite wären ohne Nelsons Pionierarbeit kaum denkbar. 1985 kam Ricky Nelson, der ab Mitte der sechziger Jahre zur Country Music übersiedelte und zu den ersten Country-Rock-Acts überhaupt gehörte, mit seiner gesamten Band bei einem Flugzeugabsturz ums Leben — das tragische Ende einer in vielerlei Hinsicht bemerkenswerten Karriere. Mit den drei LP-großen Boxsets „The American Dream" (1957-1962, 6 CDs plus Buch), „For You" (1963-1969, 6 CDs plus Buch) und „The Last Time Around" (1970-1985, 7 CDs plus Buch) ist ab sofort Nelsons musikalisches Gesamtwerk auf CD erhältlich (Label: Bear Family Records) — drei Deluxe-Boxen, die dieses De-luxe-Crooners absolut würdig sind. *****