Hillbilly/Country
VARIOUS ARTISTS „She's Selling What She Used To Give Away" (Bear Family)
Wo kein Kläger, da kein Angeklagter —dachten sich zumindest die hier mit 28 Tracks vertretenen Künstler, und zeichne-ten derben Stoff auf. Wie auch bei den Bluesern in den Dreißigern, so nahmen auch die Interpreten des Hillbilly jener Zeit kein Blatt vor dem Mund und trieben sittsamen Kirchgängern die Schamesröte ins Gesicht.
Ein Titel wie „Pussy, Pussy, Pussy" handelt natürlich nur vordergrün-dig von Hauskätzchen und „She Came Rollin' Down The Mountain" hatte sicher-lich nichts mit alpinem Vergnügen zu tun. In dem vorzüglich gestalteten, 52-seitigen Booklet (Digipak-Ausgabe, Top-Sound) sind neben Hintergrundinfos und Fotos von „unzüchtigen Weibern" auch alle Texte abgedruckt. Hartman's Heart Breakers hauen bei „Feel's Good" sogar Textzeilen raus wie: „Now some like 'ern fat and some like 'em lean/But I like a daddy who'll use vaseline." Zur Info: „Daddy" bezeichnet im amerikanischen Slang der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts den männlichen Ehepartner und nicht den leiblichen Vater. Trotzdem unglaublich.
Das hätte es bei Tipper Gore — der Sittenwächterin der Achtziger —nicht gegeben, war aber in den Dreißigern in bestimmten Marktsegmenten durch-aus üblich, wie diese wieder mal gelungene Compilation von Bear Family belegt. Wer bei Hillbilly also an verschnarchte Jungs aus den Appalachen denkt, wird hier eines anderen belehrt, denn die Songs haben ordentlich Swing.