Musik, die niemals stirbt
Rock ’n’ Roll Zwei neue Alben erinnern an eine legendäre US-Tour, auf der vor 60 Jahren die drei Stars Buddy Holly, Ritchie Valens und „The Big Bopper“ tödlich verunglückt sind. Von Claudia Reicherter
Keine Rock-’n’-Roll-Tour der 50er Jahre hat sich tiefer ins kollektive Gedächtnis eingegraben als die „Winter Dance Party 1959“ – aus traurigem und damit dem falschen Grund, wie der Chicagoer Musikjournalist und Rock-Historiker Bill Dahl betont: „Statt die spannenden musikalischen Großtaten einer Gruppe charismatischer und talentierter Youngster zu feiern, die (. . .) durch den kalten, verschneiten nördlichen Teil des Mittleren Westens reisten und damit den Rock ’n’ Roll heldenhaft ins Hinterland trugen“, wurde sie – nicht erst mit Don McLeans 1971er-Hymne „American Pie“ – reduziert auf „the day the music died“ – den Tag, an dem die Musik gestorben ist.
Dabei ist die am 23. Januar 1959 im Million Dollar Ballroom in Milwaukee/Wisconsin gestartete Tour aus vielerlei Gründen denkwürdig. Sie führte vier „Sensationen“ des noch jungen, als aufsässig geltenden Rock and Roll zusammen: Buddy Holly (22), der statt mit seinen Crickets mit Gitarrist Tommy Allsup, Bassist Waylon Jennings und Drummer Carl Bunch auftrat, den ersten Latino-Rocker, der es in den US-Mainstream schaffte, Ritchie Valens (17), J. P. Richardson alias „The Big Bopper“ (28) und die zum Trio verkleinerte New Yorker Doo-Wop-Band Dion & The Belmonts. Die Tour war gnadenlos durchgetaktet, ohne freien Tag, und führte zur unwirtlichsten Jahreszeit durch die unwirtlichsten Gebiete der USA.
Am 12. Tag folgt die Katastrophe
Am ersten Abend fiel im Tourbus die Heizung aus, dazu blieb dieser nachts immer wieder ganz liegen, was Hollys Schlagzeuger am 1. Februar zum ersten „WinterParty“-Opfer machte: Mit Erfrierungen an den Füßen musste er stationär ins Krankenhaus. Eine Matinee fiel deshalb flach, am Abend hielten sich die Rock ’n’ Roller aber schon wieder ans ewige Showbiz-Mantra „the show must go on“ – und übernahmen abwechselnd die Drums bei Buddy Hollys „That’ll Be The Day“, „Oh, Boy!“, „Peggy Sue“ oder „It’s So Easy“. Nach dem Konzert tags darauf im Surf Ballroom in Clear Lake/Iowa hatte der geniale Texaner mit der dicken Brille die Schnauze voll: Um sich eine Nacht in einem Bett aufwärmen und die verschwitzten BühnenOutfits waschen zu können, beschloss er, nach Moorhead/Minnesota zu fliegen. Das führte nach nicht mal der Hälfte der dreiwöchigen Tour zur Katastrophe: Der Flieger stürzte ab, riss die drei Stars in den Tod.
Die Tour war damit aber keineswegs zu Ende. Und die Hits erwiesen sich als unsterblich. Zur Würdigung ihrer verstorbenen Freunde machten die Überlebenden weiter. Frankie Sardo sang Valens’ „La Bamba“ und „Donna“, Jennings übernahm Hollys Part. Am Abend nach dem Crash sprang auf einen Radio-Aufruf hin der 15-jährige Bobby Vee aus Fargo mit seiner rasch „The Shadows“ benannten Schülerband ein. Die Verunglückten inspirierten die Beatles, Stones, Bruce Springsteen, Los Lobos, Weezer und Led Zeppelin, ihre Tragödie Songs wie Hershel Almonds „The Great Tragedy“, Eddie Cochrans „Three Stars“ oder Ray Campis „Ballad Of Donna And Peggy Sue“ sowie Spielfilme wie 1978 Steve Rashs „The Buddy Holly Story“ und 1987 Luis Valdez’ „La Bamba“.
Dass die Musik auch mehr als 60 Jahre danach weiterlebt, dazu tragen jetzt zwei neue Compilations bei: „The Great Tragedy – Winter Dance Party 1959“ und „Ritchie Valens Rocks“ von Bear Family Records. Das Album zum 1941 in LA geborenen Richard Valenzuela umfasst alle in nur etwas mehr als acht Monaten entstandenen Hits des Sängers und Gitarristen samt Demo-Aufnahmen aus Bob Keanes Homestudio und zwei grässliche Tribute-Songs, zu denen Ritchies große Liebe Donna Ludwig wohl ihr Vater gezwungen hat. Die zweite CD umfasst 40 Titel aller an der legendären Tour Beteiligten, Interviews und Werbe-Trailer mit Holly, Valens, Big Bopper sowie Tributes an die Verunglückten.
Die informativen Booklets auf Englisch schrieb Bill Dahl, die zahlreichen Fotos von Auftritten kurz vor dem Unglück fügte Sven Uhrmann ein. „Die Winter Dance Party wurde so noch nie aufgearbeitet“, sagt Nico Feuerbach, bei dem renommierten Wiederveröffentlichungs-Label auf Musik der 50er und 60er spezialisiert. „Der Rock ’n’ Roll war nie tot“, meint er. Also gibt es kein „Revival“, aber: „Was die Jugend angeht, so würden wir uns natürlich freuen, wenn etwas aus dieser Zeit bei denen hängenbleibt und wir sie neugierig machen können.“
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https://www.neckar-chronik.de/Nachrichten/Musik-die-niemals-stirbt-402815.html
Danke an Claudia Reicherter für diesen TOP Artikel
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