Presse Archive - The Petards - Anthology - Rockin Germany

ROCK/N' GERMANY - Musik, Szene, Freizeit - Dezember 1997
6-CD-Box-Set 1997
BEAR FAMILY
BCD16180 FH

Nachdern Bear Famtly vor einigen Jahren mit den Longplayern "Hitshock" (BFX 15085), "Golden Glass" (BFX 15086), "Burning Rainbows" (BFX 15088) und der CD "The Petards" (BTC 971404) an die deutsche Band PETARDS erinnerte und sich auch um die deutschen Beatbands Yankees, Tonics und Didi & His ABC-Boys kümmerte, liegt jetzt die 6-CD-Box "ANTHOLOGY" von den Petards vor. Für Fans dieser Musikrichtung ein echter Leckerbissen, der nahezu keine Wünsche offen läßt. Mit über 6 Stunden 'Musik (118 Songs). und einem abschließenden 12-minütigen Interview werden erstmals , die gesamten Studioaufnahmen auf einem Schlag dokumentiert, welche die Petards von 1966-1971 auf Tonkonserve hinterlassen haben. Ein Schnäppchen für diejenigen, die an der Musik der Schre.cksbacher gefallen finden und sich die heute ziemlich teuren Originalscheiben nicht leisten können. Für eine CCA-Single der Petards muß man bespielsweise schon rund 300,- DM hinblättern, falls man überhaupt das Glück hat eine solche aufzuspüren.

In den letzten Jahren haben sich verschiedene Firmen zwar um Wiederveröffentlichungen einzelner Petards-Songs bemüht (z.B. auf den V.A.Ös "Prae-Kraut Pandaemonium, Vol. 1 & 7" (Yahoo); "Visions Of The Past, Vol. 1" (Disc deLuxe); "Die deutschen Beat Bands" (Starpool); "At The Club" (Monster) oder "Rare & Raw Beat From The Sixties, Vol. 2" (Gee-Dee), aber diese können eine nur sehr begrenzte Wertung über das Schaffen dieser Band vermitteln. Zwischen Baby run, run, run und Roses liegt ein breites Spektrum von Stilarten und äußeren Einflüssen, welches von Beat über Softrock bis hin zu Psychedelic und Hardrock reicht. Meisterhaft gelungen sind vor allem die Stücke der LP "Creedence Clearwater Revival Hits", die 1969 aufgenommen und unter dem Pseudonym ZONK veröffentlicht wurde. Nur sehr selten wagte sich bis heute jemand an das Songmaterial der Erfolgsband aus San Francisco heran. Aber auch die vielen Eigenkompositionen zeugen vorn professionellem Können der Petards.

Die Heimat dieser Band spielte in der deutschen Rockmusik noch nie eine große Rolle. Die Schauplätze hießen auch nicht Memmert oder Helgoland, sondern Hamburg, Bremen oder Recklinghausen, wo Beatmusik die Hallen und Kellergewölbe zum Kochen brachte. Aber seit 1964/65 bahnte sich auch in Schrecksbach ein sehr bekömmlicher "Pilz" den Weg durch's Erdreich. Die Brüder Klaus (voc,Ig) und Horst Ebert (rhg), püdiger "Roger" Waldmann (voc,bg) 'und Hans-Jürgen Schreiber (voc,dr), die sich bald The Petards (die Erklärung für die Namensgebung kann man dem Booklet zur Box entnehmen) nannten, sind seit ihrer Gründung aus der deutschen Rockmusik nicht mehr wegzudenken. Wie in Großbritannien, den USA und der übrigen Welt, wimmelte es bald in beiden Teilen Deutschlands von guten und auch nicht so guten Bands. Alle träumten nur von einem Ziel: Eine Plattenaufnahme. Endlich auch mal im Radio gespielt werden oder gar im Fernsehen auftreten wie die Beatles, Rolling Stones, Kinks und Searchers. Während tausenden Bands auf dieser Welt dieses Glück nicht beschieden war, ging dieser Wunschtraum für die Petards bald in Erfüllung.

Neben Beatgruppen wie High Spirits, Divers oder Original Surfers durften die Schrecksbacher am 4. August 1966 endlich das Osnabrücker Tonstudio von Hans-Werner Kunze betreten. Eine richtige Entscheidung, wie wir heute wissen. Bis zum Dezember wurden dort die vier Titel Baby run, run, run; Pretty Miss; Right time und She didn't eingespielt. Daraus entstanden die ersten beiden Singles, die das CCA-Label von diesen vier jungen Musikern veröffentlichte (CD 1). Wie bereits erwähnt, gehören diese Singles bei Plattensammlern heute zu gesuchten Raritäten. Für Hans-Jürgen Schreiber war's das dann schon. Er konnte sich in die Reihe der vielen Stuart Sutchcliff's und Pete Best's mit einreihen. Ein halbes Jahr später (August 1967) gingen die Petards mit dem neuen Drummer Arno Dittrich ins Studio. Diesmal nach Seevetal zum Produzenten Bert Varell. Dort entstanden zu dieser Zeit die insgesamt vierzehn neuen Aufnahmen für ihre erste Somerset-Single (CD 2) und für den ersten Longplayer "A Deeper Blue" (CD 1), der auf Europa E 313 veröffentlicht wurde. Wie schon die beiden CCA-Singles, ist auch diese Somerset-Single heute ein begehrtes Sammlerstück. Übrigens erschienen da-mals auf Somerset auch die Beatho-vens aus Oldenburg, deren Platten wohl ebenfalls eine Veröffentlichung auf CD nötig hätten. Spätestens nach ihrer er-sten Langspielplatte war den Petards sicherlich klar, daß eine Auflösung vor-erst nicht zur Debatte stand. 1970 brachte Europa auf ihrem V.A. "Music For Wild Angels" noch einmal vier Titel der ersten LP heraus.

Die neue Besetzung mit Arno Dittrich blieb bis 1971 konstant. Das Jahr 1968 bescherte den inzwi-schen zahlreichen Petards-Fans zwei weitere Singles Golden glass/Tiger rider und Pretty Liza/Rainbows and butter-flies (CD 2). Pretty Liza wurde ein durch-schlagender Erfolg. Auch die 2.LP der Petards entstand noch im gleichen Jahr (CD 1). Ab September 1969 machten sich die inzwischen zu Profis gewordenen Hessen über Songmaterial für weitere Singles (CD 2) und zwei neue Langspiel-platten her. Es entstanden auch die Aufnahmen zur 3. LP "Hitshock" (Liberty LBS 83325) (CD 2) und die eingangs erwähnten Coverversionen aus dem CCR-Repertoire. Die beiden Singles Green river/Commotion und Fortunate son/Down on the corner (CD 4) veröf-fentlichte Ariola unter dem Bandnamen FLITTERMOUSE. Die zehn Aufnahmen (incl. Green river und Commotion) der LP "Creedence Clearwater Revival Hits" (Sunset SLS 50122) hat Bear Family auf der 4. CD plaziert. Herausragend sind I put a speil on you, Suzie Q (eigentlich von Dale Hawkins) und Keep on choog-lin' (hätte ruhig in der Länge der 12-Minuten Live-Version von GOR sein kön-nen), wo die Petards vollen Power durch die Verstärker jagen. Nach dem Abspie-len dieser Titel lohnt es sich, die Taste "Previous" zu drücken.

Die 3. Bear Family-CD beinhaltet das gesamte Doppelalbum "Pet Arts" (Liberty LBS 83481) und die am 26./27. Juli 1971 aufgenommene United Artists-Single Free/Hand of fortune, an der der Engländer Ray King (voc,Ig) für Klaus Ebert beteiligt ist. Ray King war (laut Booklet) zuvor bei einer Band namens Sonics. Ob er bei der war, die in den 60er Jahren in oder um Manchester existierte? Es gab aber auch eine gleichnamige Band, die 1965 in der Stadthalle Kassel auftrat (evtl. die mit der PalettenSingle). Leider gibt das Booklet hier keine nähere Auskunft. Möglicherweise handelt es sich auch um den Ray King, der 1967 unter dem Bandnamen. Ray King Soul Band in Großbritannien eine Piccadilly-Single auf den Markt brachte. Da man mit Ray nicht einverstanden war, kam 1972 für ihn das Aus. Seinen Platz nahm Bernd Wippich ein, der zuvor schon einmal kurzzeitig bei den Petards gespielt hatte. Außer den bereits erwähnten Flitter Mouse-Singles und der Zonk-LP enthält die 4. Bear Family-CD noch weitere vierzehn Titel, die laut Discographie im Dezember 1970 eingespielt worden sind. Sie dokumentieren die etwas un-gewohntere Seite dieser Band. Diese Aufnahmen entsprechen nicht ganz meinem Geschmack. Vielleicht sind meine Ohren auch etwas zu verwöhnt von Fuzz-Gitarren, Rückkopplungen, Wah-Wah-Pedal und quäkenden Farfisa-Orgeln.

Die 5. CD beginnt in ziemlicher Stones-Manier und geht mit weiteren dreizehn Songs der LP "Burning Rainbow" (BFX 15088) in hardrockige Gefilde über. Mit ziemlicher Sicherheit ist dies die Handschrift von Bernd Wippich, der hier die Leadgitarre bedient. Es folgen dreizehn erstmals veröffentlichte Live-Aufnahmen von 1967, die neben sechs Eigenkompositionen auch sieben Coverversionen beinhalten. Unter anderem Stone free (Jimi Hendrix), Painter man (Creation), Ruby Tuesday (Rolling Stones) und Friday on my mind (Easybeats). Trotz etwas geschmälerter Tonqualität (Bear Family hat sich um bestmögliche Qualitätsverbesserung bemüht) stellen diese Aufnahmen eine blumige Bereicherung dar. Auf der letzen der sechs CD's stellt Klaus Ebert mit dem Instrumental M.A.N. noch einmal sein spielerisches Können unter Beweis. Das zwölfminütige Interview beschließt die Anthology der Petards, die sich 1972 auflösten. Nicht zu vergessen, die wunderschöne 72-Seiten-Beilage, die Werner Pieper mit Text- und bestem Bildmaterial bestückt hat. In dieser kann man viele Fakten in aller Ruhe nachlesen, die hier aus Platzgründen nicht erwähnt werden konnten. Richard Weize steuerte auf zwei Seiten die Discographie in altbewährter Qualität bei.

Bleibt zu hoffen, daß es aus dem Hause Bear Family noch weitere Wiederveröffentlichungen von Beat- und Rockbands geben wird. Zum Beispiel fallen mir da die Top Ten Allstars, Sound Riders, Shouters oder die vielen deutschen 60's-Beat-V.A.'s ein, um die sich seit dem CD-Zeitalter noch keiner wie-der gekümmert hat. (gf)


Tags: The Petards

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