Presse - Chuck Berry Rock And Roll Music Any Old Way You Choose lt - DIE ZEIT

DIE ZEIT Auflage 603.391 - BCD17273

Zu den erfreulicheren Prognosen rund um den Rock'n'Roll gehört die Aussicht, eines Tages Außerirdische zur Musik von Cltuck Berry tanzen zu sehen. Kein Witz, fragen Sie die Nass! Seit dem 5. September 1977 ist die Raumsonde Voyager 1 auf ihrem Weg ins benachbarte Sonnensystem. an Bord neben Pi-casso, Mozart, Beethoven und den üblichen Ver-dächtigen auch Berry e Hit johnny B. Gmde. Mit etwas Glück sollte es in wenigen Jahrmillionen so weit sein. Eine steile Karriere, berücksichtig man den Umstand, dass der Song men einem Jungen handelt, der in alteuropäischen Kulturtechniken eher wenig versiert ist. Schreiben kann er nicht, lesen nur so lala, und doch ist er vollkommen zu Recht einer unserer Männer im All, denn erstens spielt er die Gitarre »just like ringing a bell, und zweitens hat er für /diens, Teenager und andere interplanetare Hin-terwäldler eine gute Nachricht im Gepäck: Evill. wer du bist, egal, woher du kommst. auch du kannst es schaffen. John Lennon, Foliower der allerersten Stunde, hat das verstanden, als er sich mit der Bemerkung revanchierte, Chuck Berry sei ein anderer Name für Rock 'nj Roll. An Eh-rungen für Charles Edward Anderson sChuck. Berry, gebürtig aus Se Louis, Missouri, mangelt es also nicht, was bislang fehlte. war ein Über-blick über das Gesamtwerk. Jetzt ist auch diese Lücke geschlossen. Rock And Roll Music Any Old Wkerts Choose lt heißt die soeben erschienene Box mit den (»n_ Studio Recordinge Plus, wobei »Com-plete« in dem Fall bedeutet. dass auf 16 CDs erst-mals alles, aber wirklich alles enthalten ist, was Berry je veröffentlicht hat, von den frühen Auf-nahmen als Sessionmusiker bis hin zum aus-ufernden Output der späteren Jahre. Wer bislang dachte. ein Billig-Sampler von der Tanke täte es auch, wird eines Besseren belehrt und darüber hinaus mit jeder erhalten gebliebenen Alternativ-version und sämtlichen auf Platte erschienenen Konzertmitschnitten versorgt. Macht insgesamt 396 Titel, Gesamtlaufzeit 1271.04 Minuten. Ein Superriesenüberraschungspaket, das die Spezia-listen von Best Farnily Records dem gereiften Fan pünktlich zum Weihnachtsgeschäft auf den Gabentisch legen. Damit er sich nicht allzu verloren Riltit zwi-schen den vielen Fotos, Faksimiles historischer Plakate, den Abbildungen seltener Plautencover unter besonderer Berücksic.htung australischer und philippinischer Pressungen, die dem Ganzen auch noch beigegeben sind, führt Berry-Biograf Bruce Pegg in einem Begleitessay durch Leben und Werk Fes gibt Verständnishilfen vonseiten
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Eine gute Show ist di die halbe Miete: Chuck Berry in den Siebzigerjahren
27. NOVEMBER 2,014 DIE ZEIT Nr 49
alter Gefghtten, die eine oder andere Anekdote sowie eine Werkliste, die, dem Ködielverzeichnis nicht unähnlidt, jeden einzelnen Song samt Ein-spieldarum, Musikernamen und »discography opus nurnherrn aufführt. Backsteinförmiger hat man den gesammelten Chuck Berry noch nie präsentiert bekommen, als in dieser leinengebun-denen Schmuck- und Prachtausgabe. Zum Ori-ginalgenie eignet er sich trotzdem nur bedingt. im Gegensatz zu seinen Interpreten nämlich ist der inzwischen rüstig auf die Neunzig zuge-hende Berry stets mit größter Sorglosigkeit ZU Werk gegangen. Das berühmte Chuck-Bere-Riff. Er hat es aus der Gitarrenarbeit weniger berühmter Vorgänger wie T-Bone Walker oder Charles liogan synthetisiert. Sein Markenzei-chen, der »Duck Walk.: Schon andere wussten, dass eine gute Show die halbe Miete ist. Sein Songwriting: genial, aber auch ganz schön gee klaut. Gegen Mitte der Fünfziger, als Berry sei-nen ersten Vertrag bei Chess Records unter-schrieb, war eben noch nicht damit zu rechnen,
Was Sie vielleicht schon immer von Chuck Berry haben wollten: Inder ersten Gesamtausgabe inden Sie es. Garantiert VON THOMAS GROSS
dass alles, was ein aufstrebender Künstler von der schlechten Seite der Stadt herausbrachte, einmal mit der Lupe der Nachwelt gelesen würde. Wer ins Studio ging, machte sein, Ding in den drei Minuten, die eine Single dauerte. Danach war man entweder erfolgreich oder gefeuert. Bereits Maybellene, sein erster Hit. kommt als erfrischend schamloses Remake einer altbekann-ten Nummer aus dem Great Afivanterican Song-book daher - Beule, Leistung besteht huptsäch-lich darin, dem Stück einen neuen Titel gegeben zu haben. Er wusste: Mädchennamen ziehen im prüden Nachkriegsamerika immer, genauso wie Städtenarnen, die er überreichlich hat fallen las-sen. Mit dem Wagen unterwegs sein, in Mern-phis, Tennessee, Station machen, eine Bar besu-chen und von all den Brenda Lee. Nadines und Betty Irans erzählen, die da draußen am Weges-rand herumlungern oder warten, das kommt der Erfolgsformel eines Chuck-Berry-Hies ziemlich nahe. Dabei jedes Mal den ganz großen Wurf zu erwarten wäre der flüchtigen Natur des Atilie-
gens unangemessen. Der klassische Chuck Berry ist, simpel genug, ein Serientäter. Ohne Markt-forschung, Facebook und anderen Firlefanz hat er einfach gewusst, was der Zielgruppenerobe-rung dient. Es braucht Stehvermögen, sich durch die Ge-samtpalette seines Schaffens hindurchzuhören, die vielen Patchwork- und Navelty-Hits, Sex-Songs. Einheiznummern, die Weihnachtslieder, faserigen Instrumentals und schaurig-schönen Hispanoversionen, mit denen er sein Gesdeifte-modell den Erfordernissen des Zeitgeschmacks anpasste — ein Marathon, der ihn selbst erschöpft haben muss. Wenn ihm gar nichts mehr einfiel, hat er einfach denselben Song noch mal aufge-nommen, Sweet Littk Sixteen heißt dann plörz-1 ich Linie Queenie und Tim Much Mortkey Business-nennt sich To Pooped To Pop. Bis weit in die sechziger Jahre hinein erreichte er damit sein Publikum, A- Ding-A-Ling bescherte ihm 1972 einen letzten Überraschungshit, danach begann sdileidend, aber letztlich unaufhaltsam der Niedergang. Gründe dafür gibt es viele: den Wandel der Jugendkultur, die Erweiterung des Repertoires, den Übergang von der Single zur LP, der einer Berry fremden Rock 'n* Roll-Verkunstung em-gegenkant. Ein Teil scheint aber auch in sei-nem Charakter begründet zu sein. Den vielen Versuchen, ihn aus der Versenkung zu holen, stand Berry jedenfalls skeptisch bis ablehnend gegenüber. Während der aus ähnlichen Ver-hältnissen stammende B.B. King sich feiern ließ, zog er es vor, mit wahllos zusammenge-würfelten Musikern zu touren. Noch 1986, als Keith Richards ihm zu Ehren eine Konzertgala gab brachte er es fertig, die versammelte Pro-minenz erst nach seiner Pfeife tanzen zu lassen und später zu verprellen. Warum das so ist, bleibt vorläufig interpreta-tionsoffrn. Vielleicht ist der Mann, den wir als Chuck Berry kennen, einfach kein netter Mensch. Vielleicht hat der Umstand, dass Gene-rationen weißer Bands mit »seiner« Musik Mil-lionen verdient haben, ihn zynisch werden lassen. Vielleicht ist er auch trotz Klassikerstatus der Junge aus St, Louis geblieben, der sich von nie-mindern in die Suppe spucken lässt, schon gar nicht von irgendwelchen dahergelaufenen Ver-ehrern und Fans, Solange aber Voyager 1 seine Bahnen durch unendliche Weiten zieht, geht das in Ordnung. Den Rest heben wir uns fit die Rente auf.
ceerk Berrye Rock And Rolf MUSiC Any Old Way you Choose lt. The Complete Studio Recordings Plus IS Car Family Records)

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