Presse - Chuck Berry Rock And Roll Music Any Old Way You Choose lt - Hi-Fi & Records 01/2015

Magazin: Hi-Fi & Records 98 Erscheinungsdatum: 01/2015 Auflage: 10.000 Chuck Berry "Rock And Roll You Choose lt -The Complete Studio Recording" Artikel-Nr.: BCD 17273 Pricecode: PL EAN-Nummer: 5397102172731

MUSIK Pop/Rock

Das Prozedere liefeigentlich im-mer gleich ab. Und das seit über fünfzig Jahren. Chuck Berry auf Tournee war für alle ein be-sonderes Abenteuer — für die direkt Beteiligten noch mehr als für die Fans. Kurz vor dem Auftritt erschien der Alt-meister stets mit Gitarrenkoffer und marschierte schnurstracks an den war-tenden Musikern vorbei ins Büro des lokalen Veranstalters. Die Musiker wur-den fast immer kurzfristig in der je-weiligen Stadt des Konzertes engagiert. Hinter verschlossener Tür forderte Chuck Berry meist die Abendgage ein, in bar! Gab es Probleme, dann drohte der Rockin` Roller schon mal mit der sofortigen Abreise. Zurück hinter der Bühne wurden anschließend die Begleit-musiker abgefertigt. Auf die Frage, was und welche Songs man gleich auf der Bühne spielen 'würde, gab es vom Schlitzohr eine kurze, präzise Angabe: »Nun, wir werden ein paar Chuck-Berry-Songs bringen!« Noch Fragen...?

Bruce Springsteen kann sich sehr gut an diese Szenerie erinnern und be-schreibt sie in einem Interview, das er in Taylor Hackfords unterhaltsamem Kino-film »Haill Hailfi Rockin'Roll« gibt. Aus-zugsweise ist das Gespräch auch als Vor-wort in der Autobiographie von Chuck Berry von 1987 nachzulesen. Anfang der "woer-Jahre spielte Springsteen mit der E Street Band im Maryland Armory im Vorprogramm von Jerry Lee Lewis und Chuck Berry. Berry war natürlich ohne Band angereist und Bruce & Co. spran-gen als Hilfstruppe ein. »Womit fangen wir an?« wollte Springsteen wissen. Ber-ry hörte nicht zu, nur wenig später er-klang ein »da-nana-na, na-na-na«. Bas-sist Gary Tallent, so »eine Art Historiker der Band« (Springsteen), erwischte die richtige Tonart und die Rock'n'Roll-Cho-


Im Oktober feierte Chuck Berry seinen 88_ Geburtstag. Bear Family gratuliert mit einer hochwertigen 16-CD-Box.
se ging ab. Ein paar Songs von Chuck Berry, nicht mehr und nicht weniger. Einziger Kommentar von Chuck Berry: »Spielt für Euer Geld, Jungs!« Nach »Johnny B. Goode« packte er die Gitarre in den Koffer und verschwand. Der Mann aus St. Louis hat Rock-Ge-schichte geschrieben wie kaum ein an-derer aufdiesern Planeten. Als Gitarrist, als Sänger, als Erfinder des »Duck Walk« und als legendäres Schlitzohr. John Len-non formulierte seine Bedeutung in 

einem Satz: »Sollten Sie nach einem an-deren Namen für Rock and Roll suchen, so könnten Sie ihn auch ›Chuck Berry‹ nennen.« Am i8. Oktober feierte »Mr. Rock and Roll« seinen 88. Geburtstag. [Turner noch munter und fidel. Gerade hat er ein neues Album eingespielt. Ver-öffentlichung noch unbekannt. Standesgemäß hat Bear Family anläss-lich des Geburtstags aber ein extra fettes Musikpräsent auf den Markt gebracht: »Rock And Roll Music. Any Old Way You Choose lt« (BCD 17273 PL). Das ist ein rockendes und lärmendes Schwerge-wicht mit 396 Songs auf i6 Silberlingcn. Chronologisch aufbereitet von der raren Single »1 Hope These Words Will Find Voll« aus dem Jahr 1954, auf der Chuck Berry als Gitarrist die R&B-Kombo ioe Alexander Arid The Cubans begleitete, bis hin zum Live-Medley »Reelin' And Rockin' / Roll Over Beethoven« von Ende 1977 aus dem Wittern Theatre in Los An-geles. Das rockende Lebenswerk enthält jede einzelne auf Single oder LP veröf-fentlichte Aufnahme vor Chuck Berrys Vertragsunterschrift mit Chess Records. Dazu alle seine berühmten Single- und LP-Songs auf Chess zwischen 1955 und 1966 sowie 1969 und 1974 plus alle nachfolgenden Aufnahmen für Mercury und Atco. Nicht zu vergessen alle erhal-ten gebliebenen alternativen Songver-sionen. Allein auf fünf Live-CDs kann man die Bühnenpräsenz des US-ameri-kanischen Musikers nachempfinden. in einem gebundenen Begleitbuch sind auf ro4. Seiten unter anderem rare Pho-tos von Chuck Berrys Onkel, dem Pho-
tographen Harry Davis,
versammelt, die erst vor ein paar Jahren entdeckt worden waren. Das Vor-wort zum zweiten beilie-genden, großformatigen Hardcoverbuch mit 252 Seiten schrieb kein Gerin-gerer als Paul McCartney, der Chuck Berry als einen -»der größten Poeten Arne-rikas« feiert. Der historische Streif-zug dokumentiert die stete Entwicklung und die un-vergleichliche Karriere des Charles Edward Anderson Berry aus dem schwarzen Ellardsville-Distrikt von St. Louis, die nicht immer bruchfrei verlief. Chuck Berry wurde mindestens dreimal wegen unter-schiedlicher Delikte verurteilt und schmorte längere Zeiten hinter Gittern. Schon als Teenager hatte er eine Vorlie-be für Dichtung und Blues. Bei einem Schülerwettbewerb trug er nur mit Gi-tarre und Gesang eine Interpretation von Jay MacShanns Big-Band-Nummer »Confessin' The Blues« vor. Und siegte. Mit Nachhilfe seines lokalen Friseurs wechselte Berry von der viersaitigen Te-nor-Gitarre zu einem sechssaitigen Mo-dell und eroberte fortan die Clubszene von East St. Louis. Nicht selten mit Hill-billy-Klängen, die er neben den Blues-Standards und einigen Nat-King-Cole-Covern einstreute.

Bei einem Konzert im Mai 1955 in Chi-cago lernte er den großen Muddy Waters kennen, der ihm ein Entree bei Chess Records verschaffte. Schon im Juli er-schien die erste Chess-Single mit Chuck Berrys Eigenkomposition »lvlaybellene«. Eine stilistische Blaupause für alle wei-teren Hits mit einem Uptempo-Blues als massivem Fundament und wiederkeh-renden Country-Rockabilly-Tönen, die von einem gnadenlosen Gitarrenriff ge-schrubbt werden. Bereits vier Wochen später rangierte die Hymne auf Platz 5 der US-Single-Charts und besetzte neun Wochen lang Platz r der RB-Charts. Obwohl das amerikanische Magazin »Billboard« Chuck Berry als »Most pro-rnising R&B Artist« abfeierte, folgte nach zwei Single-Flops erst im Juni 1956 der zweite Coup: »Roll Over Beethoven«. Paul McCartney schreibt rückblickend: »His guitar playing forrned the Basis for the styles of so many of us and his re-quest to Beethoven to roll over< led a revolution that continues to this day.« Chuck Berry — der Mann, der Beetho-ven rockte. Eine einmalige Lebensge-schichte, die jedoch längst noch nicht zu Ende istm WUIi Andresen

Tags: Chuck Berry

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