CD - SPECIAL
Out Of New Orleans
FATS DOMINO Bear Family BCD 15541-HI 1991 brachte EMI die 4-CD-Box "They Call Me The Fat Man..." auf den Markt (siehe Besprechung in Nr. 80). Mit 100 Titeln aus Fats Domi-nos Imperial-Zeit, guter Qualität und einem ausgezeichneten Booklet hatten sie eine sehr gute Box vorgelegt. Aber sie waren mit nur 100 Titeln auf der halben Strecke stehengeblieben.
Bear Family legt nun nach und ist den Weg zu Ende gegangen. Schon beim Erscbeinen der EMI-Box hatte das Bremer Label die Arbeit an ihrer eigenen Box begonnen. Nun ist ja die 13ärenfamilie nicht dafür bekannt halbe Sachen zu machen. Im Ergebnis ist denn "Out Of New Orleans" schon vom Format her doppelt so groß geworden - die 8-CD-Ausgabe ist im LP-Format gehalten. Bei den Titeln haben sie noch mehr zugelegt. Insgesamt gibt es auf den acht Compact Discs 222 Aufnahmen zu hören. Das sind alle Titel, die Fats in der Zeit von 1949 bis 1962 für das Imperial-Label aufgenommen hat. In der Discographie der EMI-Box tauchen eine Reihe von unveröffentlichten Instrumental-Titeln auf, die in der Bear Family-Discographie nur am Rande erwähnt werden. Es handelt sich bei diesen Aufnahmen um Backingtracks, an denen Fats Domino nicht beteiligt war. Die erste CD enthält Fats Dominos Aufnahmen vom Dezember 1949 bis November 1951 oder Januar 1952. Sie entstanden im "J & M Studio" in der North Rampard Street in New Orleans.
Die ersten zwölf Titel wurden nicht auf Band mitgeschnitten, sondern direkt auf ein Azetat. Die Qualität dieser Aufnahmen entspricht daher nicht so ganz unserem heute gewohnten Standard. Aber sie sind umgehen von einem ganz eigenen Flair, etwas was man heute so oft schmerzlich vermisst. "Tired Of Crying" wurde im Januar 1951 in zwei Versionen eingespielt, eine ist hier erstmalig zu hören, wobei ich bis auf einen kleinen Bandfehler am Anfang der MasterVersion keine großen Unterschiede feststellen kann.
Diese erste CD endet mit einer ziemlich verrauschten Zweitversion von "How Long", die wohl auch nur als Azetat vorliegt. Die Aufnahmen der zweiten CD entstanden zwischen 1952 und September 1953 und sind somit mehr als 40 Jahre alt. So ist denn auch bei einigen Titeln ein leichtes Grundrauschen zu hören, das ließ sich wohl nicht vermeiden. Die CD startet mit den Titeln "Long Lonesome Journey" und "Poor Poor Me", die beide auch mit einer bislang unveröffentlichten Alternativfassung vertreten sind. Hier kann man die Unterschiede auch deutlich hören. Auch "Rose Mary" gibt es in zwei Fassungen, sie wurden aber bereits 1953 und 1968 auf Schallplatten zugänglich gemacht. CD Nr. 3 beginnt mit "Going Back Home", aufgenommen am 19. September 1953, während der gleichen Session wurden zwei Fassungen von "You Left Me" eingespielt, die Alternativfassung wird hier nun erstmalig veröffentlicht. Allerdings kann ich zwischen beiden Fassungen keine Unterschiede feststellen.
Am 10. Juli 1954 nimmt Fats Domino zum ersten Mal im Master Recorders Studio in Hollywood auf. Auch die Titel "All 13y Myselr, "Ain't lt A Shame" und "Blue Mon-day" entstehen dort. Aher auch im Studio in New Orleans muß um diese Zeit eine neue Bandmaschine angeschafft worden sein, denn die Soundqualität ist nun insgesamt besser. Bei dem Titel "I Know" ist ein kleines Stückchen Studio-Atmosphäre drangelassen worden. Beginnend mit dem Jahr 1955 hat der Rock and Roll die Musikszene in den USA umgekrempelt und zwischen dem Oktober 1955 und dem April 1957 macht Fats Domino viele seiner wohl erfolgreichsten Schallplatten.
"I Can't Go On", "I'm In Love Again", "Bo Weevil", "My Blue Heaven", "When My Dreamhoat Comes Home", "Blueberry llill", "I'm Walkin"', "It's You I Love", "Valley Of Tears" oder "Wait And See" sind hier entstanden und somit auf der vierten CD zu hören. Erstmalig veröffentlicht wird hier eine Version von "I Can't Go On This Way" ohne Overduhs. Auch eine In-strumental-Version des "Casablanca"-Klassikers "As Time Goes By" ist in dieser Periode entstanden. Die fünfte CD deckt mit ihren 25 Titeln den Zeitraum vom 1. Juni 1957 bis zum 15. August 1958 ab. Diese Aufnahmen wurden fast alle im Cosimo Recording Studio in New Orleans eingespielt. "The Big Beat", "Sick And Tired" oder "I'm Gonna Be A Wheel Someday" sind die großen Hits dieser CD. Aber auch die erste Version von "The Sbeik Of Araby" (die mit dem rollenden Rhythmus) ist hier enthalten. Die sechste CD beginnt mit einem der lustigsten Lieder von Fats: "Whole Lotta Loving". Der Titel wurde zusammen u.a. mit der ersten Version von "Margie" am 23. September 1958 in New Orleans aufgenommen.
Die nächste Session fand am 30. Oktober 1958 in Hollywood statt. Hier wurden zum ersten Mal Aufnahmen im Mehrspurverfahren gemacht - allerdings wurden diese Titel damals in Mono veröffentlicht und erst in den letzten Jahren bzw. erst für diese Box erstmalig in Stereo herausgebracht. Der Großteil der folgenden Aufnahmen dieser CD sind nun also in Stereo neu abgemischt, einige ("1'm Ready") wurden nur in Mono aufgenommen. Von "I'm Ready" ist hier die bisher nicht erhältliche Fassung ohne das später aufgenommene Händeklatschen zu hören. Das gleiche gilt für den Titel "When I Was Young". Hier ist die Fassung ohne Händeklatschen in Stereo und wesentlich voller. "The Sbeik Of Araby" hat einen Fehlstart. "Be My Guest" singt Fats gleich als Auftakt von CD Nr. 7. Es ist der letzte Titel, den er im Jahre 1959 aufgenommen hat.
Die übrigen Titel dieser CD stammen von 196(1 und 1961. Es-war die Zeit der Chöre und der Geigen. Diese wurden im Overduh-Verfahren später hinzugefügt. In eini-gen Fällen ist aber die Orginalfassung, so wie Fats Domino sie aufgenommen hatte, erhalten geblieben. "Walking To New Orleans" und "Don't Come Knocking" (erstmalig) gibt es hier also ohne Geigen und "Fell In Love On Monday" ohne Chor. Es waren übrigens Mitglieder des New Orleans Symphony Orchester, die mit ihren Geigen ausgeholfen haben. Die Aufnahmen dieser CD sind fast alle in Stereo.
Die achte Compact Disc enthält die letzten 30 Aufnahmen, die Fats für Imperial einspielte. Sie entstanden zwischen dem 6. Juni 1961 und dem 14. April 1962. Erstmalig veröffentlicht wurde hier eine alternative Fassung von "Let The Four Winds Blow". Fats singt hier zu Beginn "I Like The Way You Walk, I Like To Hear You Talk..." anstelle von "..I Like The Way You Talk...". Die Titel "What A Party" und "Rockin' Bicycle" sind komplett, ohne am Ende ausgeblendet zu werden und auch hier gibt es wie bei vielen anderen Ti-teln am Anfang oder Ende kurze Studioatmo-sphäre. "Let The Four Winds Blow" ist in drei Fassungen enthalten. Die Stereo-Fassungen klin-gen im Instrumentalteil allerdings wie Mono. Für alle Aufnahmen wurden, wo das möglich war, die Originalhänder aufgestöbert.
Sie wurden, wo das nötig war, auf die gleiche Geschwindigkeit gebracht, wie wir sie von den Schallplatten in den Fünfzigern und frühen Sechzigern gewohnt sind. Viele Titel sind hier zum ersten Mal in Stereo veröffentlicht. Dabei handelt es sich manchmal um relativ primitives Stereo - auf der einen Seite die Band - auf der anderen Fats mit Stimme und Klavier. Man hat sich beim Mischen allerdings viel Mühe gegeben und es nicht bei einer strikten "Rechts-Links"-Trennung belassen, die eher künstlich wirken würde. Hier ist man mit viel Fingerspitzengefühl darangegangen und das Er-gebnis kann sich hören lassen. Im Vergleich mit der EMI-Box klingen die Bear Family-Aufnah-men für mein Ohr etwas klarer.
Mit dem musikalischen Imperial-Gesamtwerk ist auch ein Buch im LP-Format und 72 Seiten er-schienen. Beim Fotomaterial gibt es eine Reihe Überschneidungen mit der EMI-Box. Aber es gibt etliche zusätzliche Aufnahmen, viele werden hier erstmalig der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Rick Coleman hat eine ausgezeichnete
Fats Domino Story geschrieben, wobei er sich sehr stark mit dessen Musik und den Plattenver-öffentlichungen beschäftigt. Von David Booth und Colin Escott gibt es einen Artikel über Dave Bartholomew und den "Fats Domino Sound". Ilank Davis hat sich mit der Entwicklung in Fats Dominos Musik beschäftigt und Wouter Keesing, Laurence Zwisohn und Richard Weize zeichnen für die umfangreiche Discografie verantwortlich. Mir ist dabei aufgefallen, daß die Titel "You Said You Love Me", "My 1-leart Is In Your Hands" und "Are You Going My Way" im Booklet der EMI-Box anderen Sessions zugeordnet wurden. Offensichtlich lagen mittlerweile neue Quellen vor, die eine Neubestimmung zuließen. Der entscbei-dende Unterschied zur Discografie der EMI-Box ist aber die überaus wichtige Auflistung aller Mu-siker bei den Sessions und wo diese überhaupt stattfanden. Die Discografie ist gut zu handhaben und mit sehr vielen farbigen Label- und Platten-abbildungen illustriert. Auf einer Doppelseite finden sich tolle Single-, EP- und LP-Abbildun-gen aus aller Welt. Leider wurden sie alle auf die gleiche Größe gehracht. Man muß dann manchmal schon sehr genau hinschauen, um zu erkennen um was für ein Format es sich handelt. Aber alles in allem ein tolles Buch.
Einziger Wermutstropfen bei der ganzen Box ist für mich die Gestaltung der einzelnen CD's. Alle acht Verpackungen sind mit dem gleichen grob gerasterten Motiv ausgestattet, Fats schaut mal von rechts, mal von links, manchmal steht er auch auf dem Kopf. Hier wäre etwas mehr auch wirklich mehr gewesen. Motive von Fats gibt es sicherlich genug. Das ist aber auch wirklich alles, worüber ich meckern kann.
Alles andere ist vorbildlich und führt nun unweigerlich bei vielen, die sich die EMI-Box zugelegt haben, zu der Frage, oh sie noch einmal rund 270.-DM auf den Tisch legen wollen und dann die 4-CD-Box verkaufen. Ich wage hier einmal die Prognose, daß es auf zukünftigen Plattenbörsen häufiger gebrauchte EMI-Boxen im Angebot gehen wird. Die Bear Family Box ist nun aber einfach komplett. Hartig