Presse - Next Stop Is Vietnam - Frankfurter Rundschau

Der Rock'n'Roll-Krieg - Vietnam und die Musik
Berlin. Mehr als 330 Titel, 13 prall gefüllte Silberlinge mit einer Gesamtlaufzeit von fast 17 Stunden, ein 300-seitiges Buch im Format einer Langspielplatte, hunderte Schwarz-Weiß- und Farbfotos.
Mit dem Mammutprojekt«...Next Stop Is Vietnam - The War On Record 1961-2008» hat sich Bear Familiy Records, der hoch angesehene Spezialist für aufwendig recherchierte und präsentierte CD-Boxen, selbst übertroffen. Eine Ära des Hasses und ihre Spiegelung in der populären Musik werden mit enormer Liebe zum Detail erschütternd intensiv dokumentiert.


Dass Vietnam der erste Rock'n'Roll-Krieg war, ist längst Allgemeingut. Selten wurde dies so deutlich wie in den hier zusammengestellten Aufnahmen berühmter Künstler, aber auch vieler unbekannter Soldaten. Bob Dylan, Joan Baez, Bruce Springsteen, Johnny Cash, John Lennon, die Beach Boys und viele andere Stars der Rock-, Folk- und Popmusik haben Amerikas Krieg in Südostasien gegeißelt.
Den Liedern der Kriegsgegner ist wegen ihrer künstlerischen und moralischen Qualität denn auch ein Großteil der CD-Box gewidmet. Vietnam-Veteranen reagierten mit eigenen Songs - durchaus nicht immer kriegskritisch - auf das grausige Geschehen, das sie hautnah erlebt hatten. Auch politisch naive Country-Schunkler werden nicht ausgespart. Daneben kommen die US-Präsidenten Lyndon B. Johnson und Richard Nixon zu Wort reine Propaganda der «Masters Of War» (Dylan).


Fast jeder Soldat in Vietnam hatte «seinen» Song, heißt es einem der Essays im Hardcover-Buch der Anthologie. Die US-«Tunnelratte» auf der Jagd nach versteckten Vietcong-Kämpfern stand auf «Purple Haze» von Jimi Hendrix; der Patrouillen-GI aus Kentucky bevorzugte Nancy Sinatras «These Boots Are Made For Walkin'», der farbige Marine «Say It Loud (I'm Black And I'm Proud)» von James Brown. Und wirklich jeder zwischen 1964 und 1975 in Vietnam stationierte Soldat hörte 'We Gotta Get Out Of This Place' von den Animals. So weit verbreitet war wohl das Gefühl, in diesem fremden, feindseligen Land nichts zu suchen zu haben.


«Sie werden lachen. Sie werden weinen. Aber nach dem Kennenlernen dieser imposanten Box werden Sie nicht mehr derselbe sein wie vorher», schreibt der legendäre Woodstock-Musiker Country Joe McDonald in seinem Vorwort. Sicher gilt dies für amerikanische Zuhörer und Leser stärker als für deutsche, die den Vietnam-Krieg nur aus der Entfernung oder als Nachgeborene gar nicht erlebt haben. Tief berührend wirkt die Dokumentation aber auch hierzulande das Thema ist halt universell.

Manche der einfältigeren Lieder und Texte wird man nicht unbedingt allzu oft hören, viele Juwelen umso häufiger: «Simple Song Of Freedom» von Tim Hardin etwa, «Unknown Soldier» von The Doors, Protest-Soul wie «War» von Edwin Starr oder «What's Going On» von Marvin Gaye. Dass der Krieg der 60er und 70er Jahre auch für zeitgenössische US-Musiker noch eine Rolle spielte, belegen Beiträge der Folkrock-Band 10.000 Maniacs, von Steve Earle oder R.E.M. Deren Sänger Michael Stipe thematisierte 1988 im Song «Orange Crush» den skrupellosen Einsatz des Entlaubungsgifts Agent Orange durch US- Truppen in Vietnam. (dpa)
Artikel URL: http://www.fr-online.de/kultur/musik/der-rock-n-roll-krieg---vietnam-und-die-musik/-/1473348/4513478/-/index.html Copyright © 2010 Frankfurter Rundschau

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