SIy & Robbie Present Taxi Gang in Discomix Style 1978-1987 - Reggae
Der Schlagzeuger SLY DUNBAR und der Bassist ROBBIE SHAKESPEARE kamen aus Jamaika und wurden bekannt als die Riddim Twins. Mit ihnen hat der Reggae-Beat seine Genre-Grenzen verlassen.
4 s war vor allem das Schlagzeugspiel des mittlerweile 65-jährigen Lowell Dunbar, genannt „Sly", das die Aufmerk-samkeit des Pop- und Rockmainstreams erregte. Der junge Sly war neugierig, wollte seine Beats nicht auf traditionelle jamaikanische Anforde-rungen beschränken und suchte Input von außerhalb.
„Wir haben gemerkt, dass der Reggae-typische One-Drop-Groove nicht genug Energie brachte", sagt er heute. Damals fand er Inspirati-on in der Dynamik des Rock'n'Roll, der Vitalität des Funk und der strukturellen Klarheit des Pop. Amerikas Philly-Sound und vor allem der Song Pop Muzik des Engländers Robin Scott alias „M" von 1979 wurden seine größten Einflüs-se. Sly begann, das rhythmische Spiel als Ablauf sich wiederholender Muster zu begreifen. „Im Arrangement des Schlagzeugs muss die Struk-tur eines Songs erkennbar sein", erklärte er kürzlich in einem Gespräch. Nach diesem Prin-zip kreierte Sly beeindruckend marschierende, innovative und zum Teil krass virtuose Schlag-zeugfiguren, die in den Bassläufen seines gut ein Jahr jüngeren Rhythmuspartners Robert „Robbie" Shakespeare ihre kongeniale Ergän-zung fanden.
Ihr Stil entwickelte sich derart exorbitant, dass „Drumbar & Basspeare" zu häu-fig gebuchten Musikern auf dem internationa-len Produktionsparkett wurden. Bob Dylan holte sie 1983 für sein Album Infi-dels und verwendete übrig gebliebene Teile der Aufnahmen zwei Jahre später für den Nachfol-ger Empire Burlesque. Joe Cocker nahm mit ihnen 1982 Sheffield Steel auf, Ian Dury 1981 Lord Up-minster, Joan Armatrading im selben Jahr Walk Under Ladders und Curly Simon 1983 Hello Big Man.
Die Amerikaner Herbie Hancock und Bill Laswell, der Engländer Mick Jagger, der Franzose Serge Gainsbourg oder der Brasilianer Gilber to Gil, um nur einige zu nennen, nutzten ihre rhythmischen Dienste, und Grace Jones wäre ohne Sly & Robbie unvorstellbar. Unterdessen hatte man in Jamaika den Eindruck, dass es lo-kale Aufnahmen ohne den Drummer Sly Dunbar nicht geben würde angeblich geht die Zahl der Songs mit seiner Beteiligung in die Hundert-tausende -, und dass international ambitionier-te Acts wie Peter Tosh oder Black Uhuru ohne die Riddim Twins chancenlos seien.
Als die Beiden sich Ende der 70er fanden, grün-deten sie umgehend das Label Taxi und began-nen, selbst zu produzieren. Dabei griffen sie gerne auf die in Jamaika gepflegte Tradition der Coverversionen bekannter Soulklassiker zu-rück, wovon nicht wenige bereits mehrfach auf der Insel gecovert worden waren. Die Neuaufla-gen ihrer sogenannten Taxi Gang entsprachen dem Zeitgeschmack der 80er: Zum Teil mit Elektrodrums eingespielte Varianten zwischen Uptempo und schleichendem Rub'a'Dub, jenem Tanzstil, bei dem die Paare ihre Körper unten-rum andocken und, so Dramatiker George Bernard Shaw, den vertikalen Ausdruck eines horizontalen Verlangens" zelebrieren.
Acht Titel hat der Reggae-Historiker Steve Barrow hier zusammengestellt, alle im Extended Dubmix, damit der einmal eingeschlagene körperliche Kontakt lange ausgekostet werden kann. Die bekannteste Stimme auf dieser Kompilation gehört Marcia Griffiths, der Gran-de Dame des Reggae, die neben ihrer Solokar-riere eine der Backgroundsängerinnen Bob Marleys war. Sie covert Fever in der Version von Peggy Lee, die den Song zwar auch nicht geschrieben, aber berühmt gemacht hat. Ken Boothe singt Johnny Matis' Show And Tell, Tin-ga Stewart Rainy Night In Georgia, das ursprünglich ein Folksong von Tony Joe White war, aber erst richtig bekannt wurde durch das Soulcover von Brook Benton aus dem Jahr 1980.
Dazu gibt es Marvin Gayes Innercity Blues in der Interpretation des großartigen Delroy Wilson, sowie dessen Sexual Healing gesungen von Jimmy Riley. Außerdem You Must Believe Me von den in Jamaika lange Zeit vergötterten Impressions in einer Aufnahme der Tamlins, deren ebenfalls von Sly & Robbie produzierter Randy-Newman-Song Baltimore auch perfekt auf diese Kompilation gepasst hätte. Stattdessen hat man sich für Could lt Be I'm Falling In Love von den Spinners und Break Your Promise von den Delfonics aus dem Jahr 1968 entschieden. Selbst wenn einem nicht alle Sänger der Neuaufnahmen geläufig sind, die ursprünglichen Kompositionen stehen für Qualität. HELMUT PHILIPPS