V.A. / Fremde oder Freunde? (Die englischen Originale der deutschen Kultschlager) – CD-Review
...auf CD, Diverse, Zeitreise 30. Mai 2019 Von Ulli Heiser
Künstler: Percy | Sledge, Roy | Orbison, The | Band Label: Bear Family Records Musikstil: Country, Rock, Schlager, Soul
V.A. / Fremde oder Freunde? (Die englischen Originale der deutschen Kultschlager) – CD-Review
Man mag ja von ihnen halten, was man will; es gibt und gab sie nun mal: Die Schlager. Und aus der zeitlichen Distanz betrachtet, waren zumindest damals durchaus auch fähige Interpreten unterwegs. Textlich und handwerklich, also stimmlich, war das schon eine andere Qualität, als die meisten heutigen Vertreter dieser Zunft an den Tag legen.
Natürlich waren Schlager damals kein Thema, das ging gar nicht. Zumindest konnte man sich nicht outen, so etwas jemals zu hören, obwohl man – wie in meinem Fall – bei der Oma damit konfrontiert wurde und in ganz jungen Jahren auch schon mal mitträllerte.
Aber spätestens mit dem ersten Transistorradio wurde die 'wahre musikalische Welt' entdeckt und fortan allem, was mit Schlager zu tun hatte, mit rümpfender Nase begegnet. Da gab es keine fetzende Gitarre, kein Drumgewitter und lange Haare hatten die männlichen Vertreter auch nicht. Und vor allem sangen sie in deutscher Sprache. Ein No Go, zumal man somit auch die als seicht empfundenen Texte verstand. Hätte man in jenen Tagen auch nur die leiseste Ahnung gehabt, wie seicht das 50 Jahre später noch werden sollte …
Natürlich sind auch aus heutiger Sicht viele der Texte nicht unbedingt sinnig, aber das waren die Lyrics der Rocker oft auch nicht. Wie auch immer, so einiges von z. B. Udo Jürgens, Katja Ebstein, Daisy Door, Adamo oder Peter Maffay aus seligen Zeiten tut heute nicht mehr weh und die Texte eines Udo Jürgens zum Beispiel waren eigentlich immer über Zweifel erhaben.
Dass hinter den deutschen Schlagern oft internationale Originale standen, weiß der Rocker zumindest im Fall der auf diesem Sampler vertretenen beiden Stücke von Juliane Werding und Rudi Carrell. Erste hatte ich damals mit diesem Song allerdings mitnichten dem Schlager zugeordnet. Erstens des Textes und dann natürlich der Band wegen, von der die Melodie bekannt war. Ging es bei dem Original um den amerikanischen Bürgerkrieg, so ist der deutsche Text als Anti-Drogensong zu sehen. Und dass Rudi Carrell 1975 Lust auf Sommer hatte, ist fast wieder aktuell. Ob die Hörer allerdings wussten, dass hinter dem Text ein hochpolitisches Urwerk stand, das die Politik Nixons kritisierte, darf bezweifelt werden.
Das ist allerdings nicht erheblich für diese Kompilation. Diese will zeigen, dass hinter Bekanntem oftmals ganz anderes stand. So Bernd Schleßelmann (Musikredakteur und Beat-Club-Moderator bei Radio Bremen) und Thomas Schönherr, die bei Bremen Eins an jedem Ersten im Monat die "Oldiebörse" moderieren; eine Sendung, die sich darauf spezialisiert hat, scheinbar Vergessenes zu spielen und oftmals Lieder zu besorgen, wenn Hörer danach fragen und spezielle Titel suchen. Der Idee zu vorliegender Zusammenstellung gaben Anfragen von Radiohörern Geburtshilfe. Diese sollen des Öfteren gefragt haben, woher sie eine gerade gespielte Nummer denn noch kennen.
"Fremde oder Freunde" ist bereits das siebte Ergebnis der Kooperation der beiden Oldie-Spezialisten und dem nicht minder spezialisierten Label Bear Family, das, wie nicht anders zu erwarten, wieder ein informatives und umfangreiches Booklet beigepackt hat. Die Ausgabe ist im Übrigen auf 1000 Exemplare limitiert.
Auf die Tracks will ich nicht groß eingehen, das meiste dürfte bekannt sein. Zumindest die deutschen Versionen. Interessant ist aber schon bei dem einen oder anderen Stück, wer ursprünglich dahinter stand. Und auch, wie sich eine Nummer durch den ’neuen' Interpreten verändert hat. Stellvertretend will ich "Heartaches By The Number", "Fraulein" oder "Spanish Harlem" nennen. Es passiert aber auch, dass man bei der Entscheidung, welche Version nun die bessere ist, ins Wanken kommt. So etwa bei "Le jour où la pluie viendra" vom unvergessenen Chansonier Gilbert Bécaud . Das deutsche Pendant von Dalida ist nämlich absolut nicht übel. Und Erik Silvesters "Du liebst nur einmal" steht in der Disziplin 'Nahkampf-Tanz' dem Original von Schmusetiger Percy Sledge in nichts nach.
So, das war jetzt eine gemütliche und lehrreiche Reise in die Vergangenheit. Ob das Prädikat 'deutsche Kultschlager' im Untertitel treffend ist, vermag ich nicht zu sagen. Da habe ich doch noch einige andere Kaliber in Erinnerung. Aber womöglich waren die nicht gecovert. Im Zweifel kann ich ja mal bei der Bremen Eins' "Oldiebörse" nachfragen. Die beiden Spezialisten kennen mit Sicherheit die Antwort.
Jetzt brauche ich aber ein paar Gitarrensoli, um mich wieder einzujustieren …
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