Schwarzwälder Bote, 11. März 2016 Auflage: 121.971
Platten nur mit spitzen Fingern angefasst
Pop 1 Wie der Rundfunkmoderator Burghard Rausch vor fast 40 Jahren die »Neue Deutsche Welle« entdeckte
■ Von Ralf Deckert
Oberndorf. Sie nannten sich »Der Plan«, »Malaria«, »Trio« oder »Neonbabies«. Während in England Punk und New Wave angesagt waren, ent-stand Ende der 1970er-Jahre in Deutschland das, was man unter dem Oberbegriff »Neue Deutsche Welle« (NDW) zu-sammenfasst. Der damalige RIAS-Rundfunkmoderator Burghard Rausch war einer der ersten Journalisten, die diese Musik in Deutschland einem breiteren Publikum vorstellten. Nun hat er seine CD-Reihe »Aus grauer Städte Mauern« abgeschlossen, bei der er auf insgesamt vier Dop-pel-CDs einen musikalischen Querschnitt durch dieses deutsche Rock-Phänomen ent-worfen hat. »Ich hatte beim RIAS in Ber-lin eine Nachmittagssendung mit Punk und New Wave«, er-innert Rausch sich heute. »Und da kamen dann plötz-lich diese deutschen Platten auf den Tisch, die man zu-nächst nur mit spitzen Fin-gern angefasst hat, weil wir ja alle schauten, was in England angesagt war.« Zumindest so-lange, bis Rausch und seine Kollegen feststellten, dass da auch in Deutschland musikali-sches Neuland betreten wur-de mit Texten, die »witzig und spritzig« waren und mit Musi-
Rundfunkmoderator Burg-hard Rausch Foto: Promo
Ein Aushängeschild der Neuen Deutschen Welle: »Trio«
kern, die einfach mal auspro-bieren wollten, wie sich Mu-sikmachen so anfühlt. »Da kamen all diese Grup-pen wie >Mittagspause<, >Ab-wärts< oder >Der Plan, die auch mit Elektronik und Rhythmusmaschinen experi-mentiert haben. Das war wirk-lich neu. Die haben sich ein-fach hingesetzt und gemacht, auch wenn sie nicht das regu-läre Rock-Instrumentarium beherrschten.« Andere Bands wie »Morgen-rot« oder »Interzone« waren eher im klassischen Rock ver-wurzelt. Ihre Chance beka-men sie aber alle: Die NDW
explodierte Anfang der 1980er-Jahre regelrecht in Deutschland.
»Ich habe meinen persönlichen Geschmack außen vor gelassen«
»Die Plattenfirmen haben die Entwicklung zunächst igno-riert, sich dann aber plötzlich alles unter den Nagel geris-sen, was sie kriegen konnten. Der Ausverkauf begann sehr schnell«, erinnert sich Rausch. Und die Radiosender spielten nahezu alles: »Bands wie >Trio< waren zwar auch live
wirklich sensationell, andere Künstler waren aber auch echt grenzwertig, man denke nur an >Die Sennerin vom König-see< und solche Sachen. Alles in der NDW existierte neben-einander, es war wirklich Kraut und Rüben.« Knapp zehn Stunden Musik hat Rausch für seine CD-Reihe »Aus grauer Städte Mauern«, die insgesamt knapp 200 Mu-siktitel umfasst, zusammenge-stellt. »Ich hätte auch 40 statt vier Doppel-CDs machen kön-nen«, sagt der Journalist und lacht dabei. »Ich habe meinen persönlichen Geschmack außen vor gelassen und wollte
Foto: Ossinger
die NDW so breit wie mög-lich abbilden.« Und das so bunt gemischt, wie dieses Mu-sikphänomen eben seinerzeit war: Neben Stars wie Nena, »Ideal« und den »Ärzten« kommen längst vergessene Kapellen wie »Bärchen und die Milchbubis« oder Avant-garde-Bands wie »Palais Schaumburg« zu Gehör. Und natürlich Innovatoren wie »Deutsch Amerikanische Freundschaft«, deren »Tanz den Mussolini« heute fast pro-vokanter klingt als vor 35 Jah-ren. Und deren Musik weit besser gealtert ist als manch britisches Vorbild jener Zeit.
Schwarzwälder Bote, 11. März 2016 Auflage: 121.971
Vol .1, Aus grauer Städte Mauern -NDW 1977-85 Artikel-Nr.: BCD 17371 Preiscode: BS EAN: 5397102173714
Vol .2, Aus grauer Städte Mauern -NDW 1977-85 Artikel-Nr.: BCD 17372 Preiscode: BS EAN: 5397102173721
Vol.3, Aus grauer Städte Mauern -NDW 1977-85 Artikel-Nr.: BCD 17373 Preiscode: BS EAN: 5397102173738
Vol .4, Aus grauer Städte Mauern -NDW 1977-85 Artikel-Nr.: BCD 17374 Preiscode: BS EAN: 5397102173745