Wer war/ist Manfred Gustavus ? - CDs, Vinyl LPs, DVD und mehr
MANFRED GUSTAVUS
CHEROKEE
Eigentlich sollte 'Gustav' - wie ihn seine Freunde nennen - Mandoline lernen. In der Familie Gustavus wurde oft und gerne Hausmusik gemacht. Allerdings unter einem gewissen Druck des gestrengen Herrn Papa, der alle Mitspieler ständig zur Perfektion antrieb. Und es fehlte in der Hausmusikschar eben gerade noch eine Mandoline. "Also, was ist, Manfred?!" Aber der Jüngste in der Familie wollte nicht. Alles andere, aber bitte keine Mandoline.
Na gut, der Musikerziehungsberechtigte entschied, daß es dann auch ein Akkordeon sein könne, weil Manfred damals schon ein Radio- und Schallplattenidol hatte - den Akkordeonisten Will Glahé. In der Münzstraße hinter dem Alexanderplatz, in der es viele Musikalienhandlungen gab, wurde ein Instrument 'auf Rate' gekauft, ein 'Royal Standard' für 70 Reichsmark, abzuzahlen mit monatlich 3 Mark. Das war Mitte der dreißiger Jahre. Die Familie war gerade in die Hauptstadt gezogen, aus Pforzheim.
In dieser Stadt am Rande des Schwarzwaldes wurde Manfred Gustavus am 11. August 1928 geboren. Als er sechs war, wurde er Berliner. Trotzdem kann er heute immer noch ein wenig schwäbisch 'babbele'. Bei seinen Berliner Schulfreunden war er zunächst mit diesem Dialekt der große Knaller - "Mensch, kommt der von weither!". Als sich alle daran gewöhnt hatten und 'Gustav' auch schon die wichtigsten Berliner Vokabeln wie "Dufte", "Knorke", "Penne", "Stulle", "Bulette" oder "Schrippe" beherrschte, hatte er wieder etwas Neues, mit dem er sich Respekt in seiner Klasse verschaffte: wenn er sein Akkordeon zur Musikstunde mitbrachte, war er der Star des Unterrichts. Denn nun hatte ihn der Ehrgeiz gepackt. Er ging bei einem Kirchenorganisten zum Musikunterricht, der ein musikalisches Hobby hatte: ein besonders rhythmisches, ja, fast swingendes Akkordeon zu spielen.
Als dann der Krieg begann, wurde er mit seinem Meisterschüler auch gelegentlich zur Truppenbetreuung eingesetzt. Das waren die ersten öffentlichen Auftritte des Akkordeonisten Manfred Gustavus, der nun tatsächlich auch selbst - und nicht nur zur Freude seines Vater - Musiker werden wollte. Trotzdem mußte Gustavus offiziell eine für damalige Zeiten 'kriegswichtige' Lehre als Werkzeugmacher beginnen.
Später dann, als der von den Nazis begonnene Krieg immer aussichtloser wurde, kam der 'Volkssturm'. Gustavus wurde eingezogen, zur 'Sicherung des Endsieges' wurde ihm der Umgang mit der Panzerfaust beigebracht und gleich darauf ging er stiften. Er versteckte sich im Grünen in der Nähe der elterlichen Wohnung, wurde mit Lebensmitteln versorgt und wartete voller Angst - schließlich war das kein abenteuerliches Versteckspiel mehr, sondern eine Unternehmung, bei der man sein Leben riskierte - auf das Ende des 'Tausendjährigen Reiches'.
Schließlich war es soweit. Die alten Freunde trafen sich wieder und irgendwie schafften sie es auch, ihren vertrauten Fußballplatz spielfertig zu machen Die Töppen standen im Schrank, auch der Dress war noch vorhanden und es gab den ersten Anpfiff im Frieden. Bis ein Jeep mit sowjetischen Soldaten auf das Spielfeld rollte - "Stoj! Wer ist Manfred...?". Also rauf auf den Jeep und in rasender Fahrt zur Kommandantura. "Warten..!". Dann durfte er mit seinen Fußballstiefeln und dem in dieser Umgebung völlig unpassenden gestreiften Sportlerdreß ins Zimmer des Kommandanten eintreten. "Du machen Musik?" Es hatte sich also bis zu den Besatzungstruppen herumgesprochen. Ein Feldwebel brachte ein Akkordeon. "Spielen, jetzt!". Und Gustavus spielte, von Flic Flac und Fliegenden Blättern über den Gänsemarsch bis hin zu den Schwarzen Augen. Endlich das Urteil: "Du gut spielen. Du Musiker!".
Die Fußballstiefel wanderten also wieder in den Schrank, dafür wurde der gute Sonntagsanzug aufgebügelt. Manfred Gustavus wurde ja nun abends und an Wochenenden als Alleinunterhalter eingesetzt. Er spielte vor Soldaten und deutschem Publikum, in Schulen, Sporthallen, auf öffentlichen Plätzen und Kinos. Tagsüber stand er als Werkzeugmacher an seinem Arbeitsplatz.
Keine leichten Zeiten - aber niemand wollte die Hände in den Schoß legen, vor allem keiner von den jungen Berlinern und 'Gustav' schon gar nicht. Noch gab es ja die Schwarzmarktpreise, von denen - nicht nur in Berlin - das Leben bestimmt war: die Währung war der jeweilige Tagespreis für eine 'Aktive' - also eine echte Ami-Zigarette. Und danach richteten sich die Preise für Butter, Brot oder Melasse-Sirup bis hin zu Kerzenwachs. Es waren keine schönen Zeiten, trotzdem behielt Berlin seinen Humor. Die Berliner sangen zu dem damals sehr populären Schlager Chiu, Chiu, Choo, Schieber steh‘n am Bahnhof Zoo - auch: Ja, eine Chesterfield macht meine Schwester wild..., oder was einem damals sonst noch zu bekannten Schlagermelodien einfiel.
Überhaupt hatte die Musik in jenen Jahren einen ganz besonderen Stellenwert. Sie lenkte vom Alltag ab, schaffte frohe Stimmung und sogar das Magenknurren haben viele bei Boogie, Jitterbug und Swing vergessen. Dementsprechend waren Musiker gesuchte Leute im Berlin der Nachkriegsjahre. Es gab Tanzlokale, in denen sich die Besucher besonders drängten, weil es dort immer so "richtig los ging". Beispielsweise in einem Tanzlokal am Schäfersee. Dort spielte die Kapelle Hans Petrick mit erfahrenen Jazz- und Swingmusikern der frühen dreißiger Jahre. Und mittendrin der junge Manfred Gustavus. Der - wie er heute sagt - dankbar für diese drei Jahre von 1947 bis 1950 war, in denen er von seinen älteren Kollegen viel gelernt hat: Phrasierungen natürlich und das Repertoire der großen Swingtitel, die während des Krieges in Deutschland verboten waren. Gustavus hatte auch einen neuen ,Akkordeon-Lehrer, den Musiker und Komponisten Heinz Gerlach, der allen Akkordeonisten die mitreißende, aber überaus schwer zu spielende Komposition Tanzende Finger widmete.
1950 gründete er sein eigenes Trio und spielte in heute schon fast vergessenen Berliner Läden: dem 'Hamburg Ahoi' am Rosenthaler Platz, dem 'Café Viktoria' in Wilhemsruh, der 'Ha-Jo Bar' in der Albrechtstraße oder der 'Rialto-Bar' in der Pankower Wollankstraße. 1954 ging er mit seinem Trio für fast zwei Jahre auf eine große Deutschlandtournee. Er spielte in Kiel, Heilbronn, Aachen, Hannover und am längsten in Bremen in der Mokka-Bar des Unterhaltungspalastes 'Astoria'. Wieder zurück in Berlin war er in seinen alten Clubs zu hören, hinzu kam die 'Koralle' in der Invalidenstraße. Das war so etwas wie das Stammlokal des jungen Schauspielers Manfred 'Manne' Krug, der, wenn die Stimmung so richtig auf dem Höhepunkt war, als Sänger mit seinem Banjo einstieg und die amerikanischen Blues- und Dixielandnummern sang. Anschließend zogen dann alle mit der U-Bahn in den Berliner Westen zur 'Badewanne' in der Nürnberger Straße, in dem Johannes Rediske mit seinem Quintett im schönsten Shearing-Sound swingte.
Gustavus kam auf eine neue musikalische Idee - er gründete mit dem Schlagzeuger Günter Wendler die 'Dizzy's', ein Trio mit Gesang, das sich ein erfolgreiches Bühnenprogramm mit swingenden Titeln und leicht kabarettistischen Texten erarbeitete. Zehn Jahre lang waren die 'Dizzy's' ausgebucht, mit festen Terminen und Gastspielen, die sie sogar bis hinauf nach Finnland führten. 1968 trennten sich die 'Dizzy's'.
Manfred Gustavus ging zum Berliner Rundfunk, zunächst als Musikredakteur im Tanzmusikbereich, später als Produzent. So war er für Musikaufnahmen der 'Klaus-Lenz-Big-Band' verantwortlich, für Produktionen der 'Puhdys', für die Berliner Aufnahmen des Tanzorchesters von Radio Prag, die Studioarbeit des Rundfunktanzorchesters Berlin, sowie Gastproduktionen von Max Greger, Helmut Brandenburg, Greetje Kauffeld oder Uschi Brüning.Dazu komponierte und schrieb er Orchester-Arrangements.
Manfred Gustavus Cherokee
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