Wer war/ist Chris Howland ? - CDs, Vinyl LPs, DVD und mehr
Chris Howland
Im Dezember 1952 begrüßte der 'Spiegel' den ersten "Schallplatten-Jockey des deutschen Rundfunks" wie ein Wesen von einem anderen Stern. Der Engländer Chris Howland (geboren am 30. Juli 1928 in London) begann damals beim NWDR in Hamburg, als Jockey – man sprach das, wie man es liest – Schlager aufzulegen. Wie er das machte, war unerhört. Der 'Spiegel': "Der deutsche Rundfunkhörer kannte bisher höchstens gestellte Dialoge zwischen zwei Musikstücken oder 'verbindliche Worte' streng nach Manuskript, möglichst anonym und unpersönlich gehalten." Howland dagegen radebrechte mit englischem Akzent banal drauf los, daß dem Sender jegliche Würde verging. Die lockere Art brachte der Engländer, der sich 'Heinrich Pumpernickel' nannte, vom BFN (British Forces Network) in Hamburg mit. In manchen Haushalten galten seine Ansagen als schreckliches 'Kauderwelsch', und noch schlimmer war im ersten Jahrzehnt nach dem Krieg, daß er in der Sendung 'Rhythmus der Welt' englische und amerikanische Musik vorstellte. Aber letztlich siegte Howlands clownige Art. Seine Stimme klang, als komme er gerade vom Zahnarzt und habe zu lange "Ah" gesagt. "Hallo, meinar Freundar, sitzen Sie bekwäm? Dann fanger isch arn", begrüßte er sein Publikum. Und er hatte sehr schnell sehr viele Freunde.
Er wirkte lässig und traf den Nerv einer Generation, die null Bock auf zackige Durchsagen hatte. 1954 tauchte Howland beim WDR auf, nachdem er beim BFN gekündigt hatte und vom NWDR gekündigt worden war. Er spazierte in Köln einfach ins Funkhaus und bot dem Unterhaltungs-Chef Günter Krenz seine Mitarbeit an. Der Durchbruch kam mit den 'Spielereien mit Schallplatten – Musik aus Studio B'. Diese Sendung mit der Erkennungsmelodie Melody Fair, die sein kurzes 'Boing' einleitete und sein langgezogenes 'Bye-bye!' beendete, entwickelte sich für alle unter 20 zu dem, was man damals einen 'Straßenfeger' nannte: Ein deutscher Sender, der es wagte, amerikanische und englische Platten vorzustellen, hatte die Seltenheit eines weißen Raben. Howland: "Ich habe keine deutschen Titel gespielt, weil ich da kein Experte war. Vielleicht kamen am Anfang mal Freddy oder Caterina Valente vor. Aber das war alles. Günter Krenz hat mir freie Hand gelassen. Ich konnte auflegen, was ich wollte, und das waren englische und amerikanische Platten. Das Echo darauf zeigte mir, daß ich recht hatte. Den Kritikern, die deutsche Musik wollten, sagte ich: Ich mache das eine Stunde in der Woche, in den restlichen Stunden könnt Ihr deutsche Musik hören!" Daß Howland annähernd deutsch sprach, gewährleistete, daß er nicht auf den Index kam. "Sein Charme", schrieb Eva Windmöller in der 'Star Revue', "ist sein gebrochenes Deutsch." Das kultivierte er. "Da ich furchterlich sprachunbegabt bin, werde ich meinen Job wohl noch eine Weile behalten", ahnte er voraus. Er tauchte 1957 sogar in dem amerikanischen Musikfilm '(Disc Jockey) Jamboree' seines Kollegen Dick Clark auf: Neben Joe Smith von WVDA in Boston und Werner Götze vom BR in München durfte Chris Howland vom WDR in Köln darin eine Ansage machen. Während er beim WDR mit Schallplatten spielte, moderierte er auch noch frei für den BFN. "BFN in Köln hat mir netterweise sein Archiv zur Verfügung gestellt. Die hatten all die neuesten Sachen, die ich selbstverständlich gespielt habe.
Zum Beispiel das 'Japanische Abschiedslied' von Kay Cee Jones. Das habe ich im WDR-Studio in Köln spontan mit deutschem Text kommentiert: 'Die Zeit ist nun gekommen, da wir voneinander Abschied nehmen müssen...'. Ich wußte, das ist ein Hit. Bei der Teldec in Hamburg war man sehr zögerlich. Ich hab‘ denen gesagt: 'Das wird eine Nummer eins.'‘ Dann bin ich nach Hamburg gefahren und habe dort mit mehreren Takes den deutschen Text auf Platte gesprochen. Mein Honorar: 20 Mark!" Doch das Abenteuer mit der japanischen Abschieds-Schnulze blieb ohne Resonanz. Howland heute: "Ich mußte kämpfen, um die Chance zu bekommen, selbst zu singen. Zu dem Zweck habe ich dann eine eigene Aufnahme von 'Alexander's Ragtime Band' im Studio gemacht, um meinen Finger hochzuhalten. Das so entstandene Acetat habe ich dann im WDR in meiner Sendung gespielt. Es war ein Sensationserfolg. Darauf bin ich damit zu dem Produzenten Hans Bertram von der Electrola gegangen." So einfach war das damals. Es folgten ein Plattenvertrag und die erste Howland-Single Fräulein auf dem Electrola-Label 'Columbia'. Mit einem Mal hatte der 'Platten-Jockey' die Seiten gewechselt und spielte eine Doppelrolle – wie nach ihm noch so viele. "Damit stellte sich für mich das Problem, ob ich meine eigene Platte in meiner Sendung spielen kann. Da war ich in einer Zwickmühle." Heinrich Pumpernickel mußte sich fragen, wie gut ihm das deutsche Fräulein von Chris Howland gefiel. Augenzwinkernd gibt er bekannt, wie die schwere Entscheidung in dem Gewissenskonflikt ausfiel: "Ich habe sie gespielt, ein- bis zweimal." Mit der vom 'Tommy' Howland gesungenen deutschen Version des amerikanischen Originals Fraulein (ein für die an Rhein und Main stationierten GIs geschriebenes Bobby-Helms-Stück) gelang ein Coup.
Die Besatzungstruppen waren überall präsent, Elvis kurvte mit einem Jeep durch Bad Nauheim, in den Medien wurde das deutsche 'Fräulein-Wunder' bejubelt. Da muß man im nachhinein den Text mit Nachsicht betrachten: "Nicht nur Wein und die Trauben, und das können Sie mir glauben, liebt ein jeder am Altvater Rhein. Jimmy Brown aus Dakota und aus Minnesota schwärmt nur von einem Fräulein...". Das war 1958. Das deutsche Fräulein hat es den Amerikanern seither angetan. Wenn US-Interpreten wie Tommy Hill (Bear Family Records CD 16491 AH) oder Bill Monroe (BCD 16624 EK) nach Deutschland kamen, stimmten sie das Loblied an. Die Reihe der Interpreten ist lang: Hank Locklin, Eddy Arnold, David Allan Coe, Roy Drusky, Mickey Gilley, Freddie Hart, Jerry Lee Lewis, Bob Luman, Roger Miller, Willie Nelson, Hank Snow, Ernest Tubb, Conway Twitty, Charlie Walker, Chuck Berry. Im deutschen Sprachraum ist mit dem Lied unverbrüchlich Chris Howlands Name verbunden.
Er radebrechte sich noch erfolgreich durch Das hab’ ich in Paris gelernt und verlegte sich schon bald mit 'Musik aus Studio B' und 'Versteckte Kamera' aufs Fernsehen. Im Kino war er in den Karl-May- und Krimi-Filmen der 60er Jahre zu sehen. 1995 veröffentlichte er unter dem Titel 'Happy Days?' seine Erinnerungen. 2009 folgte der Band 'Yes, Sir! Aus dem Leben eines englischen Gastarbeiters'. Heute lebt er abwechselnd in der Nähe von Köln und San Francisco in der Nähe seines Sohnes.
Chris Howland Fraulein
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