Bibi Johns Portrait (CD)

Bibi Johns

Gilli Gilli Oxenpfeffer, Katzenellenbogen in Tirol und Bella Bimba: Mit solchen Liedern hatte Bibi Johns, als Gun Birgit Jonsson zwei Autostunden von Stockholm entfernt in Arboga geboren, in den fünfziger Jahren in Deutschland Single-Hits.

Bei Aber nachts in der Bar, auch dies ein Songtitel, da hat die schwedische Nachtigall dann richtig losgeswingt. Lustig war sie immer - auch in ihren vielen Duetten mit Bill Ramsey, Peter Alexander, Paul Kuhn, Fred Bertelmann und manch anderem, der im deutschen Schlager bis heute Rang und Namen hat. Eine hochtalentierte, komödiantische Blondine, kameraerfahren und fotogen: das war's. War's das?

Nein - Ihre besten Aufnahmen hat Bibi Johns erst in den sechziger und siebziger Jahren eingespielt, grandios gestaltete Balladen wie Michel Legrands I Will Say Goodbye, Musical-Evergreens wie Das Lied der Berge (The Sound Of Music) von Rodgers und Hammerstein oder Irving Berlins Man sagt Verliebtsein das wäre wundervoll, Popsongs von Harry Nilsson, Without Him und den Beatles, Eleanor Rigby.

Sie besang ihr Idol Ella und lieferte für Kompositionen und Arrangement von Rob Pronk auch gleich noch den Text. Dann produzierte sie den Film-Hit Alfie von Burt Bacharach und Hal David sowie das Chanson Mon Homme (My Man) aus dem Repertoire von Billie Holiday. Südfunk-Orchesterchef Erwin Lehn komponierte ihr unter dem Pseudonym String den Swingtitel Meine Liebe zu dir.

Vor allem anderen liebte Bibi Johns die Musik, und ihre Lebensgefährten waren fast immer Musiker. Thomas Keck, der Berliner Freund in den Fifties, trommelte bei den Spree City Stompers. Pianist Pete Jacques schrieb ihr Melodien. Trompeter Rob Pronk komponierte und arrangierte ebenfalls für sie. Keiner der Herren kam aber jemals auf die Idee, der grandiosen Vokalistin an ihrer Seite mal zu einer Langspielplatte zu verhelfen.

Als Kathrin Brigl und ich Bibi Johns im März 1996 auf der SFB-Stadtwelle 88 8 zu einem abendfüllenden Stargespräch empfingen, stellten wir verblüfft fest: Auch die deutsche Musikindustrie hat dieser Sängerin in ihrer fast fünfzigjährigen Karriere nicht eine einzige LP unter ihrem Namen erlaubt. Bear Family holt das jetzt nach, mit Titeln, die nicht als Schlager bekannt geworden sind.

Dabei wäre die Texterin Bibi Johns zu entdecken gewesen. Viele Lieder hat sie mit einem witzigen Gespür für die deutsche Sprache getextet teils unter den Pseudonymen Johnny Carlson (mit Pete Jacques) und Ina Dosso (mit Rob Pronk). Einige davon sind in dieser CD enthalten, etwa das kabarettistische, melodisch verquere Er mag's mager.

Mit den Titeln, die Bear Family auf den bisherigen 4 CDs vorgelegt hat, hat Bibi Johns deutsche Schlagergeschichte geschrieben und die Unterhaltungsmusik der fünfziger und sechziger Jahre mitgeprägt. Der Kultstatus, den sie heute noch genießt, ist darin begründet. Was jene Lieder unverändert mit Freude konsumierbar macht, liegt an ihrem Charme, ihrem immanenten Swing, ihrem Witz. Diese Blondine war komisch, aber auch romantisch, sensibel und verletzlich - alles Eigenschaften, die sie erst in diesen Aufnahmen wirklich aussingen durfte. "Unter anderen Produktionsbedingungen hätte sie eine Art Streisand werden können," sagte Rob Pronk in der 88 8-Livesending im Telefoninterview.

"Lieder, derer ich mich nicht zu schämen brauche,"  kommentierte Bibi selber diese Musikauswahl. Beim Wiederhören im Funkstudio hatte sie Tränen in den Augen: "Dann habe ich ja tatsächlich immer wieder richtig gute Lieder gesungen!"

Das hat sie. Ein Leben lang.

SIEGFRIED SCHMIDT-JOOS

aus dem Booklet BCD16316 - Bibi Johns Vielleicht ein Leben lang
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