Renate Kern Er nahm ein anderes Mädchen

Renate Kern

Wenn die Mutter Konzertpianistin ist, kann es der Tochter - in diesem Fall Renate Kern - an musikalischem Talent nicht mangeln. Da sie neben ihrer künstlerischen Begabung auch mit einer unverwechselbaren, kraftvoll-herben Stimme ausgestattet ist, versucht sie ihr Glück im Schlagergeschäft. 

Gleich mit ihrer Debüt-Single, die sie übrigens so ganz nebenbei während der Vorbereitungen für die Abiturprüfung im Studio eingesungen hat, kann sie sich 1965, trotz der starken Vorherrschaft zahlloser Beatbands, einen achtbaren Platz in den deutschen Bestsellerlisten ersingen. Drei Jahre später schafft sie mit Lieber mal weinen im Glück sogar den Sprung in die Top-Ten.

Doch es gefällt ihr immer weniger, dass man sie musikalisch in eine Schublade gesteckt hat. Lange genug hat sie mit ihren Liedern Trost und Hoffnung verbreitet. Nun will sie endlich zeigen, dass sie mehr kann. Um ihre Vielseitigkeit zu beweisen, nimmt sie parallel zu ihren Hits auch internationale Standards, Chansons und Folklore in ihr Repertoire auf und erntet damit bei ihren Bühnenauftritten Applaus und Zustimmung.

Auf Platte ist sie zunächst weiterhin im typischen Renate-Kern-Stil zu hören, beispielsweise mit dem Titel Supermann, bei dem sie sich erneut als Textautorin betätigt.

Hatte sie bei ihren bisherigen Fernsehauftritten, egal ob 'Studio B', 'Europarty', 'ZDF-Hitparade' oder 'Drehscheibe', in der Regel nur die jeweils aktuelle Single zu präsentieren, so betritt sie nun auch auf diesem Gebiet Neuland. In der grossen Unterhaltungssendung 'Der gemütliche Samstagabend' ist sie mit Tonfilm-Evergreens zu hören und kann damit durchaus überzeugen.

Und als sie im Sommer 1970 wieder am 'Deutschen Schlagerwettbewerb' teilnimmt, gehört sie diesmal von vornherein zu den Favoriten und belegt mit Alle Blumen brauchen Sonne den 2. Platz hinter Howard Carpendale. Das bringt ihr einen Auftritt in der 'Starparade' ein, damals eine der beliebtesten und meistgesehenen Musikshows.

Der seit Jahren konstante Erfolg zahlt sich auch in klingender Münze aus und Renate Kern, die dennoch immer bescheiden und bodenständig geblieben ist, erfüllt sich den Traum vom eigenen Haus. Bei der Grundsteinlegung mauert sie ihren ersten Plattenvertrag ein, in der Hoffnung, dass das Schlagerglück ihr treu bleibt.

So hat sie nun in Hoyerswege, unweit von ihren Eltern, endlich ein Refugium, in das sie sich zurückziehen kann, um jenes 'Back-To-Earth-Gefühl' zu bekommen, das den nötigen Abstand zu den Oberflächlichkeiten ihres Metiers schafft. In der schillernden Glitzerwelt des Showbusiness hat sie sich nie zuhause gefühlt.

"Ich wurde da ohne Vorbereitung in eine Welt geschubst, die mir mit ihren ganzen Äusserlichkeiten völlig fremd war. Das teilweise doch sehr unechte Gehabe der Leute, die Witze, die man so in der Branche riss, mit all dem konnte ich wenig anfangen."

Dass ihr Name in den einschlägigen Skandalblättern nicht auftaucht, ist da nicht verwunderlich. Sie zieht es vor, durch Können und Professionalität auf sich aufmerksam zu machen. Dass sie damit richtig liegt, beweist der langanhaltende Erfolg.

WALTER HILBRECHT
Siegen, im April 1997

Auszug aus Booklet BCD16202 - Renate Kern Er nahm ein anderes Mädchen
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