Wer war/ist Die Stachelschweine ? - CDs, Vinyl LPs, DVD und mehr
Die Stachelschweine
'Alles irrsinnig komisch', so nannten die Stachelschweine also ihr erstes Programm. Wahrscheinlich war das der beste Titel, der einem Kabarettisten 1949 einfallen konnte. Denn abgesehen von der Tatsache, daß Herta Heuwer am 4. September an ihrem Berliner Imbißstand die weltberühmte Currywurst erfunden hat, gab es fast das ganze Jahr hindurch überall nur Anfänge und Spannungen. Was sich aus all diesen Versuchen und Hoffnungen entwickeln würde, war damals nicht abzusehen. Am 14. Februar wird David Ben Gurion erster Ministerpräsident Israels. Am 4. April wird die NATO gegründet und am 5. Mai der Europarat, Rainier III. wird am 9. Mai Fürst von Monaco. Am 12. Mai wird die Blockade Berlins aufgehoben, die am 24. Juni 1948 durch die sowjetische Besatzungsmacht begonnen hatte. In dieser Zeit wird der Westteil Berlins durch die Luftbrücke versorgt.
Am 23. Mai gründet sich die Bundesrepublik Deutschland, und das Grundgesetz wird verkündet. Ab 12. September ist Theodor Heuss der erste Präsident der Bundesrepublik Deutschland, und Konrad Adenauer wird mit der Mehrheit einer Stimme Bundeskanzler. Am 29. August zündet die Sowjetunion ihre erste Atombombe. Am 1. Oktober wird die Volksrepublik China gegründet. Und dann ist auch schon der 7. Oktober: Gründungstag der DDR mit ihrem ersten Ministerpräidenten Otto Grotewohl. Und am 10. Oktober gibt es einen neuen Trainer der deutschen Fußball-Nationalelf: 'Sepp' Herberger. Vielleicht muß ich noch nachtragen, weil es für die Wirtschaftslage dieses Jahres bezeichnend ist, daß am 1. Januar 1949 die vom deutschen Wirtschaftsrat erlassene Kraftfahrzeug-Benutzungsverordnung in Kraft tritt, nach der Ausflugs- und Vergnügungsfahrten streng verboten sind. Alles zusammen: Irrsinnig komisch – oder das Gegenteil? Spekulationen oder gar Vermutungen sind im Kabarett nicht erlaubt. Also bleiben wir bei den Realitäten. Und die waren zum Beispiel in der 'Badewanne' keineswegs ideal für ein Kabarettensemble, das sich auch gerne einmal 'ausspielen' wollte.
Für den Anfang jedoch war der Start in diesem ständig überfüllten Jazzkeller, allein schon aus Werbegründen, nahezu ideal. Obwohl das junge Kabarett eigentlich noch gar nicht 'richtig' da war, war es auch schon bekannt. Schauspielerkolleginnen und –Kollegen besuchten die 'Badewanne', prominente Gäste der Stadt und vor allem Journalisten und Pressefotografen. Zur ganz großen Popularität brauchte es zwar noch einige Zeit, aber die Stachelschweine hatten ein großes Plus – sie waren alle, in welchen Besetzungen sie auch spielten, ausnehmend sympathisch. Und von der Notwendigkeit überzeugt, mit Witz und Ironie Geschehnisse anzusprechen und deutlich zu machen, die man nicht einfach hinnehmen darf, gerade weil das den Verursachern natürlich am liebsten sein würde. Trotzdem – die 'Badewanne' konnte nicht das Ziel sein. Ein Spielort mußte her. Es sollte aber kein teures etabliertes Theater sein, nicht zu weit von der westlichen City entfernt und auch nicht im vierten Stock. Schließlich spielte man ja in einer Kneipe mit voller Tanzfläche, Cocktail-Tresen und Zigarettennebel. Es sollte schon was anderes sein. Und bitte sehr, auch so etwas wie eine richtige Bühne bieten, die man beleuchten kann und auch mit einem Vorhang. In dem halbzerstörten, aber immer noch betriebenen Restaurant 'Burgkeller' am Kurfürstendamm 25, nicht weit von der Gedächtniskirche entfernt, waren alle diese Wünsche zu erfüllen. Und so entstand im 'Burgkeller' tatsächlich eine neue 'Westberliner Bühne' – noch dazu auf dem Kurfürstendamm.
Die Stachelschweine spielten jetzt, um doch noch eine Spur von Chronologie in die Geschichte zu bringen, ab 1. Januar 1950 im'Burgkeller'. 'per speck tiefen' nannten sie das Programm. Und hatten wieder einen werbeträchtigen Reklameeinfall. Als Eintrittspreis verlangte das Ensemble einen Knopf, der meistens an der Abendkasse vom Mantel abgeschnitten wurde. Kann man davon leben? Nun, dafür sorgte, je nach Umsatz seiner Restaurantgäste, der 'Burgkeller'-Gastronom.
Jede Mitspielerin und jeder Mitspieler bekam – gleiche Arbeit, gleicher Lohn – genau 2,50 Westmark auf die Hand gezahlt und dazu gab es, damals nicht unwichtig, einen Teller Suppe und ein Hauptgericht. So gestärkt, produzierten die Stachelschweine rund alle zwei Monate ein neues Programm, fast alle Texte geschrieben von Rolf Ulrich und inzeniert von Alexander Welbat. Das Ensemble hängte sogar eine Glocke vor der Bühne auf – jeder, der auch einmal etwas vortragen wollte, durfte sich selbst einläuten. Meistens fielen diese mutigen Nachwuchskünstler der nicht geringen Schadenfreude des Publikums zum Opfer.
Bis auf eine Ausnahme. Ein junger Mann kam aufs Podium, sah die Zuschauer beherzt durch seine Brille an - und siegte: Jo Herbst. Ein guter Schauspieler und ein begnadeter Kabarett-Texter, wie sich bald heraustellte. Wolfgang Gruner kam hinzu und auch Achim Strietzel. Und alle zogen sich an einem schönen Tag mit viel Sonnenschein ihre buntgestreiften Pyjamas an, nicht um eine Party zu feiern, sondern aus knallharten Werbegründen. Das Ensemble zog den Kurfürstendamm rauf und runter, sprach Passanten an, verteilte Zettel und führte sogar wie ein wahrhaftiger Demonstrationszug ein Schild mit sich, das allen alles erklärte, auch die Pyjamas: "Die Stachelschweine im Burgkeller – Neues Programm: 'Unschuld geht baden' – Premiere 5. Juni 1950"
Auszug aus dem Buch BCD16066 - STACHELSCHWEINE Berliner Kabarett (8-CD)
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