Wer war/ist Andy Tielmann ? - CDs, Vinyl LPs, DVD und mehr
Nach längerem Krebsleiden verstarb am 10. November 2011 der Sologitarrist, Sänger und Frontmann der legendären Tielman Brothers – Andy Tielman. Er wurde 75 Jahre alt.
Hier ein Nachruf von Peter Noever, dem Autor der Booklets unserer beiden Tielman Brothers CDs (BCD 15918 und BCD 15919).
Es war 1958 als das deutsche Fernsehen einen halbstündigen Bericht über die Weltausstellung in Brüssel zeigte: 'Halbzeit in Brüssel – 3 Monate Weltausstellung'. Es war ein unterhaltsamer Spaziergang durch die Pavillons der Nationen – wobei viel Kulturelles gezeigt wurde. Die Beschaulichkeit dieses Beitrages endete drei Minuten vor Schluss. Zitat: "Besuchen sie zum Abschied (…) das Hawaii Dorf" – in dem wir ein großartiges Instrumental Quartett antrafen: Die Tielman-Brothers, die vor einem Jahr von Indonesien nach Holland kamen und sich nach der Weltausstellung Europa erobern wollten. "Ratatatatata" machte es dann und vier Jungmänner in Schalkragenanzügen und Gitarren verbrachten nun Töne in die Wohnzimmer der deutschen Spießbürgerlichkeit, die bis dato fremd waren. Nur eine junge Generation, die sich ein Jahr vorher den Bill Haley in die Ohren zog, wusste genau was da ablief: Das war Rock'n'Roll pur. Drei Minuten wilde Gitarrenmusik mit gekonnten akrobatischen Bewegungseinlagen in Perfektion. Bis heute habe ich noch nicht begriffen, wie der zuständige Redakteur den Mut hatte, diese 3 Minuten zu zeigen. Der Rock'n' Roll hatte in Deutschland bis dahin keine Akzeptanz, weder im Radio noch sonst wo.
Für die Tielman-Brothers war die Weltausstellung ein großer Erfolg und danach begann für sie ein Nomadendasein. Ständig unterwegs, zunächst mit dem Zirkus A. Fischer, wo Andy und seine Brüder Reggy, Ponthon und Lou Lou als "die Könige des Rock'n'Roll" und als "das Beste Jazz Schauorchester des Kontinents" angekündigt wurden. Danach waren sie beim Zirkus Roland, wo sie als "die Sensation der Weltausstellung Brüssel" ihre heiße Show zeigten. Die jüngere Generation war hellauf begeistert, was sich in stürmischem klatschen, rufen und pfiffen ausdrückte (11.04.1959, 'Südkurier', Konstanz). Die Band hatte riesige Erfolge, nicht zuletzt durch ihren überragenden Ausnahmegitarristen Andy. Er war in jener Zeit allen anderen Griffbrettartisten weit voraus. Zudem war er ein großartiger Sänger, mit einer starken Ausstrahlung. Die Band auf der Erfolgsspur: LP in Holland (IMPERIAL), Mitwirkung im Film 'Paprika', sowie TV bei Kulenkampff. Ende 59, Anfang 60, wurden sie die Steigbügelhalter für ungezählte Indobands, die nun die Dominanz der deutschen Tanzlokale übernahmen. Ich behaupte, dass dies ohne die Tielman-Brothers nie gelungen wäre. Andy war die Gallionsfigur dieser Bewegung. Es begann die Blütezeit der Live-Musik.
Im Südwesten der Bundesrepublik, da wo tausende von GIs stationiert waren, gab es einen massenhaften Bedarf an Bands. Aber auch in den Städten, begannen die 'Dancings' aus dem Boden zu sprießen. Ab 62 hatten die Tielman-Brothers einen Vertrag mit der Ariola. Längst hatten sie ein komplettes Fender Equipment und Andy ein Jahr später drei Saiten mehr auf der Klampfe. Viele sollten es ihm nachmachen.
1964 kam der Beat und für viele Indobands das aus. Englische Gruppen kamen invasionsmäßig von der Insel – sie spielten zwar nicht so gut wie die Indos, machten das aber mit eigenen Titeln und gutem Satzgesang wieder wett. Vor allem aber waren sie billiger. Die Tielman-Brothers blieben weiterhin im Geschäft, verdienten traumhaft und waren dort wo sie auftraten immer noch die Attraktion.
Im Laufe der Zeit veränderte sich die Besetzung und Ende der 60er Jahre krempelte Andy Tielman die Band komplett um. Nur noch Lou Lou blieb in der auf Tanzmusik und Pop umgestellten Kapelle, die nun um Bläser bereichert wurde. Nach wie vor aber waren der Trumpf jene Showtimes, die in Brüssel ihren Anfang hatten. Bis Anfang der 80er waren diese das Markenzeichen eines jeden Tielman Auftritts.
In den 80er zog es Andy nach Australien. Dort suchte und fand man ihn für den Film 'Rocking Ramona', der sich mit der Geschichte des Indorock befasste. Unvergesslich sein Ole Sio, wobei er sich selbst mit der Akkustikgitarre begleitete, vor einem Buschfeuer. In den 90er Jahren kam er wieder zurück nach Holland, heiratete und wurde Vater. Seine Tochter vergötterte er und veröffentlichte 1997 eine CD mit Ihrem Namen: 'Loraine Jane'. Zusammen mit Lou Lou, der in Australien lebte war er in der holländischen TV Sendung 'Gout van Out' zu sehen. Ende der 90er Jahre gastierte er auch wieder in Deutschland, vornehmlich im Mannheimer Raum, wo er seine treuesten Fans aus den 60er Jahren hatte
Seit 1990 bis heute erschienen von ihm 13 CDs auf verschieden Labels. 2005 wurde eine DVD mit seinem Live-Auftritt in Scheveningen veröffentlicht. Sie wurde sein musikalisches Vermächtnis. Danach wurde es ruhiger, die Auftritte weniger.
Soweit skizziert und unvollständig, über 60 Jahre Bühnenpräsenz: Die Tielman-Brothers spielten in Österreich, in Dänemark, der Schweiz und in Schweden. Andy machte Plattenaufnahmen in England und Indonesien, trat auch dort im TV auf – ebenfalls in den USA und Schweden. Singles der Tielman-Brothers wurden in Italien, Schweden, der Türkei und Amerika veröffentlicht
Zum Schluss noch eine persönliche Anmerkung. Mit Andy Tielman ist nun einer der besten Gitarristen gestorben. Lange vor Jimmy Hendrix zeigte er schon Elemente, die Hendrix später als Gitarrenhero auszeichneten. Andy Tielman hätte vielleicht mehr Popularität erreichen können, mit gutem Management und mehr Vertrauen zum Musikbusiness. Aber Andy Tielman blieb Andy Tielman – mehr möchte ich dazu nicht sagen.
Mein Beileid gilt Carmen, Loraine Jane, sowie seinem einzig noch lebenden Bruder Reggy – der ganzen Familie Tielman, die nun diese schweren Tage der Trauer bewältigen muss. Het afscheid doet pijn !
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