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Hannes Wader

"Hannes Wader kommt der Welt auf die Schliche" (Hanns Dieter Hüsch)

Musikalisch völlig unbelastet fing Hannes Wader Anfang der sechziger Jahre an, eigene Lieder zu schreiben. Das war in Berlin, wohin es den 1942 in Bielefeld Geborenen verschlagen hatte. Nachdem er einige Jahre lang als Dekorateur gearbeitet hatte, wollte Wader eigentlich Grafiker werden. Doch das Studium brach er nach wenigen Semestern ab. Er fand eine neue 'Heimat' in den Clubs und Kneipen von Berlin, wo er nicht nur die topical songs von Tom Paxton oder Pete Seeger hörte, sondern auch die Chansons von Georges Brassens. Beide musikalische Welten inspirierten Hannes Wader bei seinen ersten eigenen künstlerischen Gehversuchen, die auch ihn auf die Burg Waldeck führten, wo er 1966 das erste Mal auftrat. In Hotte Schneiders Buch 'Die Waldeck' bezeichnet Hanns Dieter Hüsch den jungen Liedermacher als einen der Leute, die ihm ganz besonders auffielen: "Hannes Wader kommt der Welt auf die Schliche, und zwar auf eine ganz und gar einfache, fast frische Art. Da sind keine intellektuellen Hintertürchen, keine abstrakten Montagen, keine Agit-Pop-, geschweige denn Agit-Prop-Momente, sondern klare private Beobachtungen sind zu einem Lied geworden und lassen den Zuhörern auf direktem Wege zum Erlebnis und gleichzeitig zum kritischen Ergebnis kommen." Das dachte wohl auch Knut Kiesewetter, als er 1969 Waders erste Langspielplatte produzierte und für das Cover schrieb: "Hannes singt und schreibt keine Lieder, von denen er glaubt, daß sie seinem Publikum gefallen würden, sondern er vertritt ausschließlich seine eigene Meinung. Er faßt auch Themen an, die heute als absolut unmodern bezeichnet werden könnten. Er läßt z. B. in manchen seiner Songs eine Art Romantik anklingen und hat auch den Mut, über sich selbst zu lachen. Er schimpft nicht über Politiker und die bösen Kapitalisten, was sich viele seiner Kollegen zur Aufgabe gemacht haben, sondern er hat den Mut, Fehler unter uns zu suchen … was ihm ja eigentlich nicht die Sympathien seines Publikums einbringen dürfte. Abgesehen von den Themen, die Wader besingt, haben seine Chansons ein musikalisch hohes Niveau. Er singt besser als viele seiner Kollegen, die ihre Stimme oft nur dazu benutzen, ihre aggressiven Texte 'vorzutragen'. Er spielt eine technisch wie musikalisch auffallend gute Gitarre. Selbst wer mit Waders Texten nicht einverstanden ist, müßte doch Freude an der Musikalität seiner Interpretationen haben." Mit dieser Einschätzung lag Kiesewetter nun völlig falsch. Führte doch nur wenige Jahre später Waders pointierte Kritik an den gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen zu einem Medienboykott.

Auf 'Hannes Wader singt eigene Lieder' ging es in vielen Stücken – vorgetragen im Talking Blues, der eins von Waders Markenzeichen werden sollte – um den Außenseiter, der mit seiner Umgebung nicht klarkommt – Liebesbeziehungen eingeschlossen, wie er in dem Titel Viel zu schade für mich eindrucksvoll schildert. Entsprechend oft ist der Ort der Handlung auch ein Lokal, wie bei dem Lied Das Bier in dieser Kneipe. Thomas Rothschild bescheinigte in seinem Wader-Porträt diesen frühen Liedern ein "anarchisches Potential" mit "objektiv politischer Wirkung". Und: "Man muß Waders Dichtungen im Zusammenhang hören, genau ohne Vorurteile, um zu erkennen, wie nahe angeblicher Zynismus an einer Romantik liegt, die erkannt hat, daß die Wirklichkeit ihr keinen Raum läßt."

Kneipentypen stehen auch im Mittelpunkt der über neun Minuten langen Geschichte Ich hatte mir noch soviel vorgenommen, dem Titelsong von Waders zweiter LP. Nicht mehr solo, sondern begleitet von Werner Lämmerhirt, dem virtuosen Ragtimegitarristen, und Jürgen Ehlers am Baß, schlüpfte Wader hier in die Rolle eines Krebskranken, der nur noch wenige Tage zu leben hat und sich, umgeben von einer Gruppe wundersamer Sonderlinge, fragt, wie er sich einen "guten Abgang" verschaffen könne, obwohl er sich doch noch so viel vorgenommen habe.
www.scala-kuenstler.de/hannes-wader.html

 


Auszug aus
Various - Liedermacher in Deutschland
Vol.1, Für wen wir singen (3-CD)
/various-liedermacher-in-deutschland-vol.1-fuer-wen-wir-singen-3-cd.html

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